Auch in unserer sechsten Woche fühlen wir uns immer noch wie Außerirdische.
Menschen, die uns nicht kennen starren uns an. Starren uns an aufgrund unseres Aussehens, unserer Hautfarbe, weil wir Ausländer sind. Betreten wir ein Restaurant, ist uns die Aufmerksamkeit gewiss und wir werden kurzzeitig wichtiger als das Brathuhn auf dem Teller der Gäste.
Es ist ein eigenartiges Gefühl.
Natürlich kann ich es nicht mit den Gefühl gleichsetzen, das so viele andere vor uns aufgrund ihrer Hautfarbe oder ihre Herkunft gemacht haben. Wir werden nicht verfolgt, nicht geschlagen, nicht geächtet. Aber wir werden angesehen. Und wir können die Blicke nicht genau deuten.
Die Leute schauen manchmal so, als würde eine Ziege durch ein Krankenhaus laufen.
Gut so schlimm ist es vielleicht auch nicht, aber es steckt schon ein bißchen Überraschung und Verwunderung in ihren Blicken. Und um ehrlich zu sein: Ja es ist unangenehm. Es ist unangenehm, wenn man versucht in einem Land zu leben und sein Leben dort so zu gestalten, wie die anderen Leute es tun. Wenn man den Menschen versucht, Respekt entgegenzubringen und mit diesem Ziegenblick konfrontiert wird.
Natürlich können wir es uns erklären. Wir leben jetzt in einem Land, in dem Menschen nur selten die Möglichkeit haben, mit Ausländern in Kontakt zu treten.
Und wenn sie es doch mal können, dann handelt es sich meist um den etwas beleibteren Helmut aus Mannheim und seiner Frau Inge, die einen Tagesausflug in das arme Kuba machen und sich mal anschauen wollen, wie die Menschen hier leben. Sie ärgern sich darüber, dass niemand deutsch spricht und freuen sich, als sie am Abend wieder in ihre Hotelanlage zurückkehren, die ungefähr so viel mit Kuba zu tun hat, wie die Ziege mit dem Krankenhaus. Ihr Fazit ist: Da wird man doch richtig zufrieden mit seinem Leben in Deutschland. Zuhause angekommen regen sie sich dann unverzüglich über den unfreundlichen Taxifahrer und die lange Wartezeit am Einreiseschalter auf. Aber sie haben zuhause etwas zu erzählen über das echte Kuba.
Oder es ist diese Art Kontakt, den die Leute auf der Straße mit dem 60-jährigen Herbert aus Castrop-Rauxel gemacht haben.
Herbert hat sich dieses Jahr für Kuba statt Thailand als Urlaubsort entschieden. Schließlich kann man sich auch in Kuba für wenig Geld mal so richtig schön verwöhnen lassen. Und nun spaziert der etwas leptosome Herbert mit den wenigen Haaren und der Rauchernase durch Holguín. Links führt er (die erfundene) Laeticia und rechts (die ebenfalls erfundene) Yamalis. In das schickste Restaurant der Stadt. Er zahlt für alle drei zusammen 35 Euro und kann sich der Dankbarkeit der beiden Mädels sicher sein.
Ja, ich gebe es zu: ich mag Touristen nicht, obwohl ich doch dem ersten Anschein nach auch einer bin.
Ich mag die Leute nicht, die ihr Gewissen damit beruhigen, dass sie dem Hotelangehörigen ein altes Paar Badelatschen schenken, oder ihm gern mal einen 5er zustecken. Gerade dem Barmann. Der in einem Hotel arbeitet. Der in der Woche fünf paar alte Badelatschen geschenkt bekommt und sie für viel Geld an die Leute in der Stadt weiterverkauft, die keinen Kontakt mit Touristen haben. Das ist einfach dämlich. Und es ist überheblich. Es ist überheblich, mit einem Beutel am Strand langzuspazieren, voller Kulis oder Bonbons und sie dann den kleinen Kindern zu schenken, die mit ihren hübschen Muttis jeden Tag am Strand sitzen. Es ist überheblich das in der Zeit zu machen, an dem die meisten Hotelgäste auf ihren Liegen liegen und es schön beobachten können. Es ist überheblich zuhause zu erzählen, wie sehr man doch den Menschen geholfen hat mit seinen Almosen und dann das Gefühl des Samariters zu genießen, dessen Gewissen damit auch das restliche Jahr weiterhin schön ruhig schlafen kann.
Ja und wir bekommen jetzt die Rechnung für das Verhalten unserer Landsleute. Eine Portion Unvertrauen, Abwertung und Rassismus.
Ja auch das ist Rassismus. Ein Rassismus, den wir uns selbst geschaffen haben in einer Gesellschaft, die für diesen Rassismus ungeschützt empfänglich war, weil sie einfach keine Erfahrungen mit den Menschen vom anderen Stern hatte.
Ein Rassismus der soweit geht, dass sich kubanische Studentinnen, die wir kennenlernen unwohl fühlen, wenn sie mit uns ein Bier trinken gehen.
Weil alle ihre Freunde genau dasselbe denken wie im Falle von Herbert aus Castrop-Rauxel. Natürlich, der Einwurf, „Lass die Leute reden“ ist berechtigt. Sie sollten einfach nichts darauf geben, was andere Leute denken, aber sind wir ehrlich, das ist verdammt schwer. Gerade in einer Gesellschaft, die ihre Erfahrungen in diesem Gebiet erst noch sammeln muss. Das Schöne ist, dass diese Vorurteile meist nur solange anhalten, bis die ersten Worte gewechselt sind. Fragt sich nur wie lange das noch der Fall ist.
Gegen die Blicke haben wir inzwischen übrigens schon zwei wirksame Waffen gefunden. Sind sie eher neugierig und überrascht entwaffnet ein Lächeln am besten. Sind sie ein wenig feindsam, nach der Devise „Was will der denn in meinem Bus?“ dann hilft eins hervorragend: So zurückstarren, als ob man eine Ziege sieht, die durch ein Krankenhaus läuft.
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