Freitag, 24. April 2009

Tagesablauf

Wir sind nun die sechste Woche in Kuba. So langsam etabliert sich ein festes Raster nachdem sich unser Tagesablauf richtet. Von Montag bis Donnerstag haben wir Spanischunterricht, insgesamt zehn Stunden pro Woche. Der Unterricht beginnt um 9 Uhr. Wir stehen also meist um sieben auf, denn zwischen 6 und 8 Uhr gibt es immer eine Stunde lang Wasser. Wann diese genau ist, das variiert von Tag zu Tag.
Vor ca. drei Wochen waren an der Universität Bauarbeiten und einer der Bagger hatte das Wasserrohr erwischt. In einem Land, indem Rohre genau wie Autos, Schuhe und Zahnpasta Mangelware sind war dies ein echtes Problem. So hatte dies auch zur Folge, dass wir fünf Tage in Folge ohne Wasser blieben. Lediglich zwei Eimer Pro Tag konnten wir uns organisieren. Diese gingen jedoch meist für die nötigste Körperhygiene und die Toilettenspülung drauf. Inzwischen hat es sich aber eingeschliffen, dass es wieder täglich Wasser gibt. Ein großer Luxus für uns, da wir bemerkt haben, dass Wasser wirklich ein unverzichtbares Gut ist.

Um acht begeben wir uns meist zum Frühstück. Dieses ist zu einer der festen Konstanten für uns geworden. Denn es gibt jeden Morgen zwei Brötchen mit einem Omelette und ein ein Glas verdünnten zuckerrohrsirup. Danach erledigen wir meist unsere Hausaufgaben, die abends oft auf der Strecke bleiben.
Der Spanischunterricht geht entweder bis 11.30 Uhr oder 12.30 Uhr, je nachdem wie viele Stunden wir an diesem Tag haben. Danach beginnt unser täglicher Organisationszug. Da wir beschlossen haben, dem Universitätsessen aufgrund der Qualität und des Preises den Rücken zu kehren, sind wir Selbstversorger geworden. Das bedeutet, dass wir uns unsere Mahlzeiten im kubanischen Lebensmittel-Dünnicht selbst organisieren. Wie schon im Beitrag „Mangel“ beschrieben kann dies ein langwieriger frustrierender Prozess werden. Doch die Freude über ein paar erhaschte Bananen oder ein paar kleine Guavenpasteten lässt uns die Frustration oft vergessen. Am Abend sind wir meist in der Stadt unterwegs und testen diverse Restaurants.

An Tagen an denen wir keinen Unterricht haben flüchten wir meist nach Guardalavaca, dem touristischen Traumstrand im Norden Holguins. Fluchthelfer dabei ist Lando mit seinem gelben '58er Ford F350-Truck. Lando hat das gelbe Ungetüm von seinem Vater geerbt und damit einen Sechser im Lotto erzielt. Denn in einem Land, in dem der öffentliche Personentransport quasi nicht mehr existiert sind umgebaute Lastwagen an seine Stelle getreten. Sie befördern zwischen 40 und 80 Personen auf festgelegten Strecken zu meist festen Uhrzeiten. Mit den erzielten Erlösen aus Fahrpreisen können sie nicht nur die laufenden Betriebskosten und die Spritkosten decken, sondern machen zusätzlich noch ein hübsches Sümmchen für die eigene Kasse. Somit zählen LKW-Fahrer mit Veranstaltern von illegalem Lotto und Gebrauchtwagenverkäufern zu den wohlhabendsten Personen im sozialistischen Inselstaat. Lando war bevor er Lastwagenfahrer wurde, Matheprofessor an der Uni von Holguin. So kommt es auch, dass er das Zahlenspiel so gut beherrscht, dass er zwei Ausländern den 15-fachen Preis für eine Fahrt berechnet, den ein kubanischer Fahrgast bezahlt. „Wegen dem Risiko“, sagt er. Was solls. Es ist die verlässlichste Art, für uns nach Guardalavaca zu kommen. Trotzdem heißt es, 6:30 Uhr aufzustehen, da Lando 7:30 uhr abfährt. Zu unserem Bedauern fährt er um zwei Uhr nachmittags schon zum letzten Mal nach Holguín zurück, sodass für uns meist nicht mehr als ein Halbtagesausflug übrig bleibt. Eine Ausnahme bildet der vergangene Samstag. Lando fuhr schon um 5:30 Uhr ab. Der Grund war eine kleine christliche Gemeinde, der er einen Tagesausflug nach Guardalavaca ermöglichte. Beim Mittag fragte ich seinen Kollegen und Beifahrer, nach der Gruppe und er bestätigte mir, dass es sich um eine christliche Gemeinde handelt. Ich fragte dann: „Und macht Lando das aus Freundlichkeit für diese Gemeinde?“ Die Antwort kam kurz und alles beantwortend: „Lando? No! Lando Diablo!“
Die bisherige Zeit hat ein großes Stück näher an Kuba herangeführt. Wir sehen den festen Tagesablauf als zwangsläufiges Übel zur Vorbereitung unseres Trips durch das Land. Jedoch kehrt trotz eines geregelten Tages nie Routine ein.

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