Auch in unserer sechsten Woche fühlen wir uns immer noch wie Außerirdische.
Menschen, die uns nicht kennen starren uns an. Starren uns an aufgrund unseres Aussehens, unserer Hautfarbe, weil wir Ausländer sind. Betreten wir ein Restaurant, ist uns die Aufmerksamkeit gewiss und wir werden kurzzeitig wichtiger als das Brathuhn auf dem Teller der Gäste.
Es ist ein eigenartiges Gefühl.
Natürlich kann ich es nicht mit den Gefühl gleichsetzen, das so viele andere vor uns aufgrund ihrer Hautfarbe oder ihre Herkunft gemacht haben. Wir werden nicht verfolgt, nicht geschlagen, nicht geächtet. Aber wir werden angesehen. Und wir können die Blicke nicht genau deuten.
Die Leute schauen manchmal so, als würde eine Ziege durch ein Krankenhaus laufen.
Gut so schlimm ist es vielleicht auch nicht, aber es steckt schon ein bißchen Überraschung und Verwunderung in ihren Blicken. Und um ehrlich zu sein: Ja es ist unangenehm. Es ist unangenehm, wenn man versucht in einem Land zu leben und sein Leben dort so zu gestalten, wie die anderen Leute es tun. Wenn man den Menschen versucht, Respekt entgegenzubringen und mit diesem Ziegenblick konfrontiert wird.
Natürlich können wir es uns erklären. Wir leben jetzt in einem Land, in dem Menschen nur selten die Möglichkeit haben, mit Ausländern in Kontakt zu treten.
Und wenn sie es doch mal können, dann handelt es sich meist um den etwas beleibteren Helmut aus Mannheim und seiner Frau Inge, die einen Tagesausflug in das arme Kuba machen und sich mal anschauen wollen, wie die Menschen hier leben. Sie ärgern sich darüber, dass niemand deutsch spricht und freuen sich, als sie am Abend wieder in ihre Hotelanlage zurückkehren, die ungefähr so viel mit Kuba zu tun hat, wie die Ziege mit dem Krankenhaus. Ihr Fazit ist: Da wird man doch richtig zufrieden mit seinem Leben in Deutschland. Zuhause angekommen regen sie sich dann unverzüglich über den unfreundlichen Taxifahrer und die lange Wartezeit am Einreiseschalter auf. Aber sie haben zuhause etwas zu erzählen über das echte Kuba.
Oder es ist diese Art Kontakt, den die Leute auf der Straße mit dem 60-jährigen Herbert aus Castrop-Rauxel gemacht haben.
Herbert hat sich dieses Jahr für Kuba statt Thailand als Urlaubsort entschieden. Schließlich kann man sich auch in Kuba für wenig Geld mal so richtig schön verwöhnen lassen. Und nun spaziert der etwas leptosome Herbert mit den wenigen Haaren und der Rauchernase durch Holguín. Links führt er (die erfundene) Laeticia und rechts (die ebenfalls erfundene) Yamalis. In das schickste Restaurant der Stadt. Er zahlt für alle drei zusammen 35 Euro und kann sich der Dankbarkeit der beiden Mädels sicher sein.
Ja, ich gebe es zu: ich mag Touristen nicht, obwohl ich doch dem ersten Anschein nach auch einer bin.
Ich mag die Leute nicht, die ihr Gewissen damit beruhigen, dass sie dem Hotelangehörigen ein altes Paar Badelatschen schenken, oder ihm gern mal einen 5er zustecken. Gerade dem Barmann. Der in einem Hotel arbeitet. Der in der Woche fünf paar alte Badelatschen geschenkt bekommt und sie für viel Geld an die Leute in der Stadt weiterverkauft, die keinen Kontakt mit Touristen haben. Das ist einfach dämlich. Und es ist überheblich. Es ist überheblich, mit einem Beutel am Strand langzuspazieren, voller Kulis oder Bonbons und sie dann den kleinen Kindern zu schenken, die mit ihren hübschen Muttis jeden Tag am Strand sitzen. Es ist überheblich das in der Zeit zu machen, an dem die meisten Hotelgäste auf ihren Liegen liegen und es schön beobachten können. Es ist überheblich zuhause zu erzählen, wie sehr man doch den Menschen geholfen hat mit seinen Almosen und dann das Gefühl des Samariters zu genießen, dessen Gewissen damit auch das restliche Jahr weiterhin schön ruhig schlafen kann.
Ja und wir bekommen jetzt die Rechnung für das Verhalten unserer Landsleute. Eine Portion Unvertrauen, Abwertung und Rassismus.
Ja auch das ist Rassismus. Ein Rassismus, den wir uns selbst geschaffen haben in einer Gesellschaft, die für diesen Rassismus ungeschützt empfänglich war, weil sie einfach keine Erfahrungen mit den Menschen vom anderen Stern hatte.
Ein Rassismus der soweit geht, dass sich kubanische Studentinnen, die wir kennenlernen unwohl fühlen, wenn sie mit uns ein Bier trinken gehen.
Weil alle ihre Freunde genau dasselbe denken wie im Falle von Herbert aus Castrop-Rauxel. Natürlich, der Einwurf, „Lass die Leute reden“ ist berechtigt. Sie sollten einfach nichts darauf geben, was andere Leute denken, aber sind wir ehrlich, das ist verdammt schwer. Gerade in einer Gesellschaft, die ihre Erfahrungen in diesem Gebiet erst noch sammeln muss. Das Schöne ist, dass diese Vorurteile meist nur solange anhalten, bis die ersten Worte gewechselt sind. Fragt sich nur wie lange das noch der Fall ist.
Gegen die Blicke haben wir inzwischen übrigens schon zwei wirksame Waffen gefunden. Sind sie eher neugierig und überrascht entwaffnet ein Lächeln am besten. Sind sie ein wenig feindsam, nach der Devise „Was will der denn in meinem Bus?“ dann hilft eins hervorragend: So zurückstarren, als ob man eine Ziege sieht, die durch ein Krankenhaus läuft.
Freitag, 24. April 2009
Bildung einmal anders
Kuba rühmt sich vor allem mit zwei Errungenschaften der Revolution: Ihrem guten Gesundheitssystem und ihrem guten Bildungssystem.
Doch genau dieses macht nun eine merkwürdige Entwicklung. Da auch hier die Menschen genauso schlecht bezahlt werden, wie in anderen Sektoren hat eine starke Abwanderung in Richtung Tourismus eingesetzt. Lehrer, die beispielsweise Sprachunterricht gegeben haben, können ihre Kenntnisse um einiges gewinnbringender in Guardalavaca oder Varadero einsetzen, als in einer staatlichen Schule. Die Quintessenz daraus ist ein drastischer Lehrermangel. Die Regierung reagierte darauf folgendermaßen. Sie ließ die Möglichkeit, einer ansprechenden Bezahlung außer Acht und führte stattdessen den Fernseher als Lehrer ein. Mit einer Art Bildungs-TV zu allen Themengebieten in den einzelnen Fächern wird nun Unterricht gemacht. Im Klassenzimmer hängt ein Fernseher und eine nichtqualifizierte Person sitzt als physischer Lehrer im Klassenzimmer. Sie wacht darüber, dass Ruhe herrscht und alle Schüler mehr oder weniger diszipliniert, dem TV-Guide lauschen. Fragen kann sie meist nicht beantworten, da es keine Geografielehrerin ist, die den Geografieunterricht leitet. Das mit Eigenlob aus Havana gepuderte kubanische Bildungssystem könnte also bald zum Mäusekino werden. Eine erschreckende Aussicht für ein Volk, das bisher eigentlich eine recht gute Bildung genoss.
Doch genau dieses macht nun eine merkwürdige Entwicklung. Da auch hier die Menschen genauso schlecht bezahlt werden, wie in anderen Sektoren hat eine starke Abwanderung in Richtung Tourismus eingesetzt. Lehrer, die beispielsweise Sprachunterricht gegeben haben, können ihre Kenntnisse um einiges gewinnbringender in Guardalavaca oder Varadero einsetzen, als in einer staatlichen Schule. Die Quintessenz daraus ist ein drastischer Lehrermangel. Die Regierung reagierte darauf folgendermaßen. Sie ließ die Möglichkeit, einer ansprechenden Bezahlung außer Acht und führte stattdessen den Fernseher als Lehrer ein. Mit einer Art Bildungs-TV zu allen Themengebieten in den einzelnen Fächern wird nun Unterricht gemacht. Im Klassenzimmer hängt ein Fernseher und eine nichtqualifizierte Person sitzt als physischer Lehrer im Klassenzimmer. Sie wacht darüber, dass Ruhe herrscht und alle Schüler mehr oder weniger diszipliniert, dem TV-Guide lauschen. Fragen kann sie meist nicht beantworten, da es keine Geografielehrerin ist, die den Geografieunterricht leitet. Das mit Eigenlob aus Havana gepuderte kubanische Bildungssystem könnte also bald zum Mäusekino werden. Eine erschreckende Aussicht für ein Volk, das bisher eigentlich eine recht gute Bildung genoss.
GeGu und Frodo.
Wir sind nicht mehr allein in unserem Viererzimmer. Wir haben zwei neue Mitbewohner. GeGu und Frodo.
GeGu und Frodo sind zwei Kröten, die unser Bad belegt haben. Die erste, die wir entdeckt haben ist die größere von beiden. Wir haben sie auf GeGu getauft, da sie verblüffende Ähnlichkeit mit einer Gewürzgurke mit Beinen hat. Gegu hat es sich zur Aufgabe gemacht, an den unmöglichsten Orten auf uns zu warten und uns zu erschrecken. Tagsüber versteckt er sich meist irgendwo, doch nachts ist er meist auf dem dreckigen Abflussrohr über der Dusche anzutreffen.
Wenn er nicht gerade wieder einen teuflischen Plan ausgeheckt hat...
Letztens sprang er quer durchs “Bad” und landete auf unserer Scheuerbürste. Ca. Zehn Zentimeter vor mir. Ich weiß nicht, wer mehr erschrocken ist: Er oder ich. Vor kurzem klebte er in der Dusche und machte sich erst bemerkbar, als ich schon das Wasser aufgedreht hatte. Grüner Frosch auf grünen Fliesen ist eine perfekte Kombination. Allerdings hat er auch einen Hang zum Suizid. Gestern versteckte er sich im Türrahmen der Balkontür. Auf diese Art und Weise hatten wir schon zwei Frösche verloren. Inzwischen passen wir jedoch auf. An Flucht denkt er jedoch trotz vielfältiger Möglichkeiten nicht. Ihm scheint es bei uns zu gefallen. Nur ab und an wenn wir ihn abends überraschen wirkt er ein wenig verstört. Gestern klebte er neben dem Spiegelkasten. Wir beobachteten ihn beide. Er schien die Strategie zu verflogen, „wenn ich mich nicht bewege, dann sehen sie mich auch nicht.“ Immer wenn wir wegschauten machte er eine krampfhafte Seitwärtsbewegung und verharrte, als wir uns ihm wieder zuwendeten. Dummerweise haben seine Saugnäpfe auf den Fliesen nicht sonderlich gut funktioniert und so rutschte er kontinuierlich Zentimeter für Zentimeter dem Boden entgegen. Ein Kröte die, sich verzweifelt an Fliesen festkrallend, dieselbigen runterrutscht ist ungefähr so diskret wie ein Ölfleck auf einem weißen Teppich. Nach einigen Minuten schaffte er es jedoch, sich in die Abstellkammer zu hangeln.
Frodo ist die kleine Kröte. Im Gegensatz zu GeGu hat er schwarze Augen. Wir nennen ihn Frodo, weil ich glaube, dass sich Tolkien Frodo Beutlin genauso vorgstellt haben muss. Die Hollywoodstudios haben ihm jedoch ein menschliches Aussehen gegeben. Aus Vermarktungsgründen. Außerdem beginnt „Frodo“ mit den gleichen Buchstaben, wie „Frosch“. Kreativ, was? Er ist noch nicht so lange bei uns, wie GeGu, deswegen gibt es von ihm nur wenig zu berichten.
Wir haben beide ins Herz geschlossen. Nicht weil wir sie hübsch finden, oder wir ein Menschenproblem haben, sondern aus einem ganz triftigen Grund:
Sie fressen Moskitos.
GeGu und Frodo sind zwei Kröten, die unser Bad belegt haben. Die erste, die wir entdeckt haben ist die größere von beiden. Wir haben sie auf GeGu getauft, da sie verblüffende Ähnlichkeit mit einer Gewürzgurke mit Beinen hat. Gegu hat es sich zur Aufgabe gemacht, an den unmöglichsten Orten auf uns zu warten und uns zu erschrecken. Tagsüber versteckt er sich meist irgendwo, doch nachts ist er meist auf dem dreckigen Abflussrohr über der Dusche anzutreffen.
Wenn er nicht gerade wieder einen teuflischen Plan ausgeheckt hat...
Letztens sprang er quer durchs “Bad” und landete auf unserer Scheuerbürste. Ca. Zehn Zentimeter vor mir. Ich weiß nicht, wer mehr erschrocken ist: Er oder ich. Vor kurzem klebte er in der Dusche und machte sich erst bemerkbar, als ich schon das Wasser aufgedreht hatte. Grüner Frosch auf grünen Fliesen ist eine perfekte Kombination. Allerdings hat er auch einen Hang zum Suizid. Gestern versteckte er sich im Türrahmen der Balkontür. Auf diese Art und Weise hatten wir schon zwei Frösche verloren. Inzwischen passen wir jedoch auf. An Flucht denkt er jedoch trotz vielfältiger Möglichkeiten nicht. Ihm scheint es bei uns zu gefallen. Nur ab und an wenn wir ihn abends überraschen wirkt er ein wenig verstört. Gestern klebte er neben dem Spiegelkasten. Wir beobachteten ihn beide. Er schien die Strategie zu verflogen, „wenn ich mich nicht bewege, dann sehen sie mich auch nicht.“ Immer wenn wir wegschauten machte er eine krampfhafte Seitwärtsbewegung und verharrte, als wir uns ihm wieder zuwendeten. Dummerweise haben seine Saugnäpfe auf den Fliesen nicht sonderlich gut funktioniert und so rutschte er kontinuierlich Zentimeter für Zentimeter dem Boden entgegen. Ein Kröte die, sich verzweifelt an Fliesen festkrallend, dieselbigen runterrutscht ist ungefähr so diskret wie ein Ölfleck auf einem weißen Teppich. Nach einigen Minuten schaffte er es jedoch, sich in die Abstellkammer zu hangeln.
Frodo ist die kleine Kröte. Im Gegensatz zu GeGu hat er schwarze Augen. Wir nennen ihn Frodo, weil ich glaube, dass sich Tolkien Frodo Beutlin genauso vorgstellt haben muss. Die Hollywoodstudios haben ihm jedoch ein menschliches Aussehen gegeben. Aus Vermarktungsgründen. Außerdem beginnt „Frodo“ mit den gleichen Buchstaben, wie „Frosch“. Kreativ, was? Er ist noch nicht so lange bei uns, wie GeGu, deswegen gibt es von ihm nur wenig zu berichten.
Wir haben beide ins Herz geschlossen. Nicht weil wir sie hübsch finden, oder wir ein Menschenproblem haben, sondern aus einem ganz triftigen Grund:
Sie fressen Moskitos.
Warum soll ich arbeiten?
Geht man durch eine kubanische Stadt wird einem etwas auffallen. Warum sind vormittags wie nachmittags so viele Menschen unterwegs? Und wo sind eigentlich die großen Fabriken und Industrieanlagen, die eine so große Stadt wie beispielsweise Holguín doch bräuchte um all den Menschen eine Beschäftigung zu geben in einem Land in dem es keine Arbeitslosigkeit gibt?
Es gibt sie nicht. Oder nur wenige davon. Und die Menschen? Sie arbeiten kaum.
Laut Aussage der kubanischen Regierung gibt es fast keine Arbeitslosigkeit in Kuba.
Wieder ein schönes Beispiel, wie man eeine Statistik auf staatlichem Wege, mit statischer Festigkeit flexibilisieren kann. Arbeitet eine Person nämlich nur eine Stunde in der Woche wird sie schon als „Beschäftigter“ geführt. Der kubanische Weg der Arbeit sieht also so aus: Man geht auf Arbeit, mehr oder weniger pünktlich. In dem Kraftwerk, in dem man arbeitet schwatzt man mal mit dem Kollegen, mal mit einem anderen. Man kümmert sich, um etwas zu essen zu bekommen, redet wieder mit ein paar Freunden und geht nach Hause. Ob man nun wirklich gearbeitet hat, ist eigentlich nicht wirklich wichtig. Sein Gehalt bekommt man auch so. Und das Gehalt was man dafür bekommt spiegelt genau das wieder, was man am Tag gemacht hat. Nämlich nicht viel. Gerecht? Vielleicht. Aber in dieser Diskussion ob es gerecht ist, ist wieder die Frage von Henne und Ei anzuführen. Nur das hier die Frage recht schnell beantwortet werden kann. Der kubanische Arbeiter arbeitet nicht, weil er faul ist. Er bekommt nicht das Geld, obwohl er nicht arbeitet, sondern er arbeitet nicht, weil er kein Geld bekommt.
In den 80er Jahren ging es Kuba wirtschaftlich gesehen nicht schlecht. Man bekam sein Geld und konnte sich damit etwas kaufen. Die Periodo Especial folgte und die Preise stiegen. Der Lohn jedoch blieb der gleiche. Seit dieser Zeit haben sich die Preise zwar entspannt, sind jedoch nicht auf das alte Niveau zurückgegangen. Fazit: Das Geld was ein kubanischer Arbeiter bekommt reicht zum Leben keineswegs (siehe Rechnung „Mangel an Geld“). Also verbringen viele Leute ihre Zeit einfach damit etwas zu machen, was ihnen Spaß macht. Sie bekommen trotzdem Geld, mit dem sie aber nicht viel anfangen können. Stattdessen backen sie zuhause Kuchen, die sie dann verkaufen oder züchten Schweine, die sie schlachten und verkaufen.
Kurz, sie verdienen Geld. Schwarz. Illegal. Aber nötig.
Ein Bauer muss beispielsweise seine offizielle Ernte an den kubanischen Staat verkaufen. Für ein Pfund Kartoffeln bekommt er (angenommen) 0,5 Pesos. Der kubanische Staat verkauft dasselbe Pfund für 5 Pesos an die Bevölkerung weiter. Von den 0,5 Pesos kann der Bauer nicht leben und die 5 Pesos für die der Staat die Kartoffeln weiterverkauft sind zu teuer. Also verkauft der Bauer das Pfund doch lieber für 2 Pesos an die Bevölkerung. So stiehlt der Arbeiter doch lieber 100 Schrauben aus dem Betrieb und verkauft sie sinnvoll weiter. Das ist auch der Grund, warum an manchen Stellen viele Leute arbeiten. Wir haben Restaurants mit sechs Tischen und drei gerichten auf der Speisekarte gesehen, in denen drei Köche und sieben Kellnerinnen arbeiten. Von diesen bedienen zwei. Zwei machen sich die Nägel, eine steht an der Tür zum Speisesaal und zwei stehen draussen vor dem Restaurant und passen auf. Sie verdienen ca. 300 Pesos im Monat. Warum „arbeiten“ sie? Weil nach Dienstschluss vielleicht ein Hühnchen abfällt, ein Pfund Kartoffeln oder ein Kilo Reis. Die Restaurants gehören dem Staat. Mit dem Einkommen betrügt der Staat die Kellnerinnen.Die Kellnerinnen betrügen den Staat.
Die Kubaner glauben die Versprechungen des Staates nicht mehr, die Versprechungen Fidels, dass sie bald mehr Geld verdienen werden.
50 Jahre Revolution haben eine Realität geschaffen, in der sich legale Arbeit nicht mehr lohnt.
Dadurch entsteht allerdings ein tiefes Problem für die kubanische Gesellschaft. Dass die betrogenen Arbeiter in der Gegenwart nicht arbeiten wollen ist in Ordnung. Dass jedoch ihre Kinder dies lernen und sich fragen, warum sie denn in der Zukunft arbeiten sollen kann zum ernsthaften Problem werden. Setzt sich dieses Denken einmal in den Köpfen fest ist es innerhalb einer Generation nur schwer zu tilgen. Einer der Wege für diese Perspektivlosen kann der Weg in den Tourismus sein. Nicht als Animateur am Hotelpool sondern als Kleinkrimineller, der Ausländer mit gefälschten Zigarren überzeugen will oder als Prostituierte, die sich Ausländern für Geld, Uhren oder schicke Klamotten hingibt. Eine kubanische Gesellschaft, die stirbt.
Es gibt sie nicht. Oder nur wenige davon. Und die Menschen? Sie arbeiten kaum.
Laut Aussage der kubanischen Regierung gibt es fast keine Arbeitslosigkeit in Kuba.
Wieder ein schönes Beispiel, wie man eeine Statistik auf staatlichem Wege, mit statischer Festigkeit flexibilisieren kann. Arbeitet eine Person nämlich nur eine Stunde in der Woche wird sie schon als „Beschäftigter“ geführt. Der kubanische Weg der Arbeit sieht also so aus: Man geht auf Arbeit, mehr oder weniger pünktlich. In dem Kraftwerk, in dem man arbeitet schwatzt man mal mit dem Kollegen, mal mit einem anderen. Man kümmert sich, um etwas zu essen zu bekommen, redet wieder mit ein paar Freunden und geht nach Hause. Ob man nun wirklich gearbeitet hat, ist eigentlich nicht wirklich wichtig. Sein Gehalt bekommt man auch so. Und das Gehalt was man dafür bekommt spiegelt genau das wieder, was man am Tag gemacht hat. Nämlich nicht viel. Gerecht? Vielleicht. Aber in dieser Diskussion ob es gerecht ist, ist wieder die Frage von Henne und Ei anzuführen. Nur das hier die Frage recht schnell beantwortet werden kann. Der kubanische Arbeiter arbeitet nicht, weil er faul ist. Er bekommt nicht das Geld, obwohl er nicht arbeitet, sondern er arbeitet nicht, weil er kein Geld bekommt.
In den 80er Jahren ging es Kuba wirtschaftlich gesehen nicht schlecht. Man bekam sein Geld und konnte sich damit etwas kaufen. Die Periodo Especial folgte und die Preise stiegen. Der Lohn jedoch blieb der gleiche. Seit dieser Zeit haben sich die Preise zwar entspannt, sind jedoch nicht auf das alte Niveau zurückgegangen. Fazit: Das Geld was ein kubanischer Arbeiter bekommt reicht zum Leben keineswegs (siehe Rechnung „Mangel an Geld“). Also verbringen viele Leute ihre Zeit einfach damit etwas zu machen, was ihnen Spaß macht. Sie bekommen trotzdem Geld, mit dem sie aber nicht viel anfangen können. Stattdessen backen sie zuhause Kuchen, die sie dann verkaufen oder züchten Schweine, die sie schlachten und verkaufen.
Kurz, sie verdienen Geld. Schwarz. Illegal. Aber nötig.
Ein Bauer muss beispielsweise seine offizielle Ernte an den kubanischen Staat verkaufen. Für ein Pfund Kartoffeln bekommt er (angenommen) 0,5 Pesos. Der kubanische Staat verkauft dasselbe Pfund für 5 Pesos an die Bevölkerung weiter. Von den 0,5 Pesos kann der Bauer nicht leben und die 5 Pesos für die der Staat die Kartoffeln weiterverkauft sind zu teuer. Also verkauft der Bauer das Pfund doch lieber für 2 Pesos an die Bevölkerung. So stiehlt der Arbeiter doch lieber 100 Schrauben aus dem Betrieb und verkauft sie sinnvoll weiter. Das ist auch der Grund, warum an manchen Stellen viele Leute arbeiten. Wir haben Restaurants mit sechs Tischen und drei gerichten auf der Speisekarte gesehen, in denen drei Köche und sieben Kellnerinnen arbeiten. Von diesen bedienen zwei. Zwei machen sich die Nägel, eine steht an der Tür zum Speisesaal und zwei stehen draussen vor dem Restaurant und passen auf. Sie verdienen ca. 300 Pesos im Monat. Warum „arbeiten“ sie? Weil nach Dienstschluss vielleicht ein Hühnchen abfällt, ein Pfund Kartoffeln oder ein Kilo Reis. Die Restaurants gehören dem Staat. Mit dem Einkommen betrügt der Staat die Kellnerinnen.Die Kellnerinnen betrügen den Staat.
Die Kubaner glauben die Versprechungen des Staates nicht mehr, die Versprechungen Fidels, dass sie bald mehr Geld verdienen werden.
50 Jahre Revolution haben eine Realität geschaffen, in der sich legale Arbeit nicht mehr lohnt.
Dadurch entsteht allerdings ein tiefes Problem für die kubanische Gesellschaft. Dass die betrogenen Arbeiter in der Gegenwart nicht arbeiten wollen ist in Ordnung. Dass jedoch ihre Kinder dies lernen und sich fragen, warum sie denn in der Zukunft arbeiten sollen kann zum ernsthaften Problem werden. Setzt sich dieses Denken einmal in den Köpfen fest ist es innerhalb einer Generation nur schwer zu tilgen. Einer der Wege für diese Perspektivlosen kann der Weg in den Tourismus sein. Nicht als Animateur am Hotelpool sondern als Kleinkrimineller, der Ausländer mit gefälschten Zigarren überzeugen will oder als Prostituierte, die sich Ausländern für Geld, Uhren oder schicke Klamotten hingibt. Eine kubanische Gesellschaft, die stirbt.
Mangel
Es gibt nur eine Sache in Kuba, die es immer gibt. Nichts. Nichts gibt es überall und zu jeder Zeit. Außerhalb der Peripherie der großen Luxushotels und Urlauberhochburgen herrscht in Kuba der Mangel. Der Mangel an Geld, der Mangel an Lebensmitteln, der Mangel an Luxus, der Mangel an Transportmöglichkeiten und natürlich der Mangel an Demokratie. Über letzteres wurde schon oft genug ausführlich berichtet, deswegen werde ich mich auf die vorhergehenden Punkte beschränken.
Der Mangel an Geld:
Wie ich schon berichtete, liegt das kubanische Monatsgehalt irgendwo zwischen 12 und 40 CUC, also ca. 10 bzw. 35 Euro. Eine recht eindrucksvolle Berechnung eines Freundes zeigte mir, was man damit anstellen kann. Bevor ich weiterschreibe eine Bitte: Überlegt euch, wieviel der Anteil an Lebensmittel am monatlichen Nettoeinkommen in eurem Haushalt ungefähr beträgt. Ich bin bei einer sparsamen Berechnung auf ca. 15 Prozent gekommen. Jeder sollte aber bitte selbst schnell überschlagen. Danke
Fertig? Okay, los geht es. Wir rechnen mit einer kubanischen Familie mit einem Kind und zwei Einkommen im Haus.
Frühstück: Sechs kleine Brötchen und eine Tüte Sojajoghurt = 3,60 Pesos
Snack: eine kleine Guavenpastete, ein Eis oder ein paar Kekse. = 15 Pesos
Mittag: drei Pizza de Queso in der Schule, auf Arbeit, etc. (Die Pizza hat 15 Zentimeter Durchmesser und ein Gewicht von 203 Gramm. Also wirklich ein Snack) = 15 Pesos
Abendessen: Ein Pfund Hühnchen, ein Pfund Reis, Ein Pfund Bohnen, Getränke (bisher ausgelassen) = 40 Pesos
In Summe also 73,60 Pesos. Mal 30 Tage macht: 2208 Peso im Monat. Rechnen wir weiter damit, dass beide recht gut verdienen, also ca. 700 Pesos im Monat (28 CUC). Einkommen = 1400 Pesos, Ausgaben (für Essen) = 2208 Pesos. Hoppla! Peter Zwegat wäre entsetzt und würde mit belehrender Miene über seine kleine Brille den verschwenderischen Schuldner anschauen. „Sie verdienen zu wenig“, würde er sagen. Dumm nur, dass man nicht mehr verdienen kann. Ein hochqualifizierter Uniprofessor geht mit 800 Pesos nach Hause. Die einzige Möglichkeit: Im Tourismus arbeiten, etwas selbstgemachtes, geerbtes oder sich selbst verkaufen, auf dem schwarzmarkt handeln oder einen LKW erben. Wie ein durchschnittlicher kubanischer Haushalt um die Runden kommt? Ich weiß es nicht. Ich habe gefragt und die immer selbe Antwort war: „Wir wissen es auch nicht. Wir verkaufen manchmal etwas. Man kann 5 Jahre in Kuba leben und die Frage immer noch nicht beantworten.“
Der Mangel an Luxus:
Der Mangel an Luxus ist eigentlich kein Mangel. Man kann nur etwas bemängeln, das man vermisst, braucht gezeigt bekommt. Es gibt nur den Wunsch nach Luxus. Den Wunsch, irgendwann ein Fahrrad kaufen zu können, der Wunsch irgendwann in einem Hotel Urlaub machen zu können, der Wunsch ein sorgenfreieres Leben führen zu können.
In die Kategorie Luxusgüter zähle ich alles, was nicht zu Lebensmittel, Wohnen, Gesundheit und Hygiene zählt. Ein Beispiel: Ich wünsche mir eine Hängematte um die heißen kubanischen Sommernächte außerhalb meines Hauses verbringen zu können. Hängematten gibt es natürlich nicht. Gut für CUC in einem CUC-Geschäft vielleicht, aber über Preis und Qualität in solchen Geschäften habe ich schon geschrieben. Ich brauche: Haken, Seile, zwei Holzlatten. Haken: gibt es nicht. Wenn ich sage, gibt es nicht, dann meine ich: Gibt es nirgendwo zu kaufen. Unter der Hand, vielleicht. Aber man muss lange suchen. Seile: Fehlanzeige. Nirgendwo zu kaufen. Holzlatten? Im nächsten Wald zum Selbstsammeln, -schälen und -verarbeiten. Damit ist die Hängematte gestorben. Nächster Luxus: Schuhe. Ja gibt es. Gibt es auch für kubanische Peso. Recht teuer, halten ca. vier Wochen. Man kennt einen Schuster, der einem gute macht: Glück gehabt. Man hat Freunde, Verwandte im Ausland oder Touristen, die einem welche schenken: Glück gehabt. Man kennt keinen Schuster, hat keine Kontakte zu Ausländern? Pech gehabt.
Mangel an Lebensmitteln:
Dafür gilt es mehrere Sachen zu bedenken: 1. Supermärkte gibt es nicht. Es gibt Läden in denen es viele sachen gibt, die jedoch in CUC zu bezahlen sind, unverhältnismäßig teuer sind und von miserabler Qualität sind (Frühstücksfleisch, das nach Katzenfutter riecht (schmeckt), Toilettenpapier ohne Perforation und Wäscheleinen, die abfärben.). Um diese Läden machen wir inzwischen einen großen Bogen. In addition gibt es noch Läden, in denen man mit kubanischen Pesos einkaufen kann und sich „Super-Markt“ schimpfen. Das Angebot: Minzbonbons, Sojajoghurt in Tüten mit echten Sojagetreidestückchen, drei Sorten Rum, zwei Sorten Limonade, eine Sorte Bier, Streichhölzer, kubanische Zigaretten, Instant-Hühnerbrühe von Maggi, Maismehl, Tomatensauce, Wermut und Kekse. Das ist das gesamte Angebot. Diese zwölf Produkte werden in Regalen angeboten, die einen ca. 50 m² großen Verkaufsraum abgrenzen. Die gähnende Leere der Regale passt gut zur Leere des Verkaufsraums. Denn da das Angebot ähnlich klein wie teuer ist, sind Kunden der größte Mangel des Ladens.
2. Gemüse- und Obstmärkte gibt es. Sie bieten die breite Palette der aktuellen kubanischen Ernte an. Gemüse: Salat, Zwiebeln, Knoblauch, manchmal Kartoffeln, Weißkohl, ab und zu Möhren und grüne Tomaten. Obst: Guaven, Ananas, seit kurzem noch grüne Orangen und mit viel Glück Bananen. Natürlich gibt es nicht an jedem Stand alles zu kaufen. Am selben Stand an dem es gestern noch Zwiebeln, Kartoffeln, Guaven und Ananas gab, gibt es heute Zwiebeln, Bananen, Guaven und Knoblauch. Ein gutes hat es: Obst- und Gemüse ist, für unsere Verhältnisse, spottbillig. Demnächst soll es auch orange Orangen und Mangos geben. Wir freuen uns schon darauf.
Alles andere, was es nicht in oben besagten Läden zu kaufen gibt wird schwarz angeboten. Das reicht von Hühnchen und kleinen Pasteten über Schnur bis hin zu selbstgegossenem Kinderspielzeug aus Plastik. Die ertragreichste Methode gut einkaufen zu gehen ist also, sich zwei drei Stunden in der Abendzeit auf die Straße in einem der Wohnviertel zu setzen und zu warten. Kommt ein Mensch mit einem großen Beutel, Eimer oder Karton vorbei schaut man ihn an und wartet bis er einem zuruft, was er anbietet. Das ganze ist so ein bißchen wie beim Autoquartett. Dreimal zieht man eine Karte, die einem gar nichts nützt, doch beim vierten Versuch erwischt man den Mann mit Butter, Limonadepulver oder Fleisch, das einem gerade ausgegangen ist. Die erfahrenen Kubaner kennen allerdings ihre Verkäufer in ihrem Wohnviertel und wissen, wer was verkauft. Auf ein Signal hin schauen sie aus dem Fenster erkennen den Seifenverkäufer und sagen ihm was sie brauchen. Er verkauft auch meist nur an Leute, die er kennt, den natürlich ist der Straßenverkauf verboten. Wird er von der Polizei erwischt verliert er eingenommenes Geld und all seine Ware. Zudem droht eine Strafe.
Auf diesem Weg versorgen sich die Kubaner in Kuba. Hätten wir nicht schon ein paar kubanische Freunde, die uns bei unsere „Einkäufen“ helfen würden, kämen wir oft mit leeren rucksäcken nach hause. Und wieder einmal übertrifft die unkomplizierte Hilfsbereitschaft der kubanischen Bekannten das komplizierte Versorgungssystem des ohnehin schon komplizierten kubanischen Staatssystems.
Mangel an Transport:
In Havanna gibt es Busse. Alte klapprige Busse. In Varadero gibt es schöne neue chinesische Busse. Für Touristen. Im restlichen Kuba gibt es auch Busse. Alte holländische, die oben an der Frontscheibe noch die alte holländische Route stehen haben, oder alte Mercedes-Busse, die noch das orange Piktogramm mit dem kleinen Kind, das von einem größeren kind an der Hand geführt wird tragen. Alte ausrangierte Busse, aus der alten Welt, die dort schon längst der Umweltplakette oder dem TÜV zum Opfer gefallen sind. Aber ihre Zahl ist begrenzt. Da es weder Ersatzteile noch eine funktionierende staatliche Busflotte gibt, hat sich der kubanische Staat etwas großartiges einfallen lassen. Man erlaubt einfach LKW-Besitzern, ihre 50er jahre Trucks umzubauen und Passagiere zu befördern. Diese müssen natürlich selbst für Ersatzteile und Sprit aufkommen, dürfen aber auch die Fahrpreise behalten. Aus den Augen aus dem Sinn. Nun fahren die raren Dinosaurier mit Passagieren gefüllt, dieselrußend über die kubanischen Straßen. Fahrplan? Wenn man Glück hat. Hat der Fahrer keine Lust, bleibt er liegen. Schließlich hat er eine Fahrt mehr oder weniger nicht nötig. Dann fällt die Fahrt halt aus. Ist er der einzige, der auf seiner Route verkehrt, kann es problematisch werden. Eine andere Möglichkeit ist, per Autostopp zu fahren. In jeder Stadt gibt es (früher gelb-, nun blaugekleidete) Beamte, die Autos anhalten und ihnen wartende Passagiere zuweisen. Eine Anhaltepflicht haben allerdings nur Wagen mit blauem Nummernschild, die dem Staat gehören. Oft genug weisen aber auch diese mit einer Handbewegung, dass sie schon voll sind oder nur eine kurze Strecke fahren. (Siehe unser Ausflug nach Gibara und das Warten in Auras)
Der Mangel hat Kuba in seinem Griff. Er bestimmt das tägliche Leben und formte diese einzigartige Gesellschaft von kleinen Geschäftsleuten in einem System, das sich Sozialismus schimpft. Im sozialistischen Kuba gibt es für das deutsche Wort Freund viele Bezeichnungen: Amigo, Companero, Compay oder auch Socio. Die Kubaner beschreiben es treffend, wenn sie sagen: Wir leben nicht in einem „Socialismo“ sondern im „Sociolismo“. Somit bekommt auch die umgewandelte Parole an der Flughafenmauer eine ganz neue Bedeutung: „Sociolismo o Muerte!“. „Nützliche Freunde oder Tod!“ Der Mangel formte die kubanische Gesellschaft mehr, als sie Che Guevaras Idee vom neuen Menschen jemals formen konnten. Denn im Gegensatz zu Guevaras Wunsch ist der Mangel ein realer Begleiter.
Der Mangel an Geld:
Wie ich schon berichtete, liegt das kubanische Monatsgehalt irgendwo zwischen 12 und 40 CUC, also ca. 10 bzw. 35 Euro. Eine recht eindrucksvolle Berechnung eines Freundes zeigte mir, was man damit anstellen kann. Bevor ich weiterschreibe eine Bitte: Überlegt euch, wieviel der Anteil an Lebensmittel am monatlichen Nettoeinkommen in eurem Haushalt ungefähr beträgt. Ich bin bei einer sparsamen Berechnung auf ca. 15 Prozent gekommen. Jeder sollte aber bitte selbst schnell überschlagen. Danke
Fertig? Okay, los geht es. Wir rechnen mit einer kubanischen Familie mit einem Kind und zwei Einkommen im Haus.
Frühstück: Sechs kleine Brötchen und eine Tüte Sojajoghurt = 3,60 Pesos
Snack: eine kleine Guavenpastete, ein Eis oder ein paar Kekse. = 15 Pesos
Mittag: drei Pizza de Queso in der Schule, auf Arbeit, etc. (Die Pizza hat 15 Zentimeter Durchmesser und ein Gewicht von 203 Gramm. Also wirklich ein Snack) = 15 Pesos
Abendessen: Ein Pfund Hühnchen, ein Pfund Reis, Ein Pfund Bohnen, Getränke (bisher ausgelassen) = 40 Pesos
In Summe also 73,60 Pesos. Mal 30 Tage macht: 2208 Peso im Monat. Rechnen wir weiter damit, dass beide recht gut verdienen, also ca. 700 Pesos im Monat (28 CUC). Einkommen = 1400 Pesos, Ausgaben (für Essen) = 2208 Pesos. Hoppla! Peter Zwegat wäre entsetzt und würde mit belehrender Miene über seine kleine Brille den verschwenderischen Schuldner anschauen. „Sie verdienen zu wenig“, würde er sagen. Dumm nur, dass man nicht mehr verdienen kann. Ein hochqualifizierter Uniprofessor geht mit 800 Pesos nach Hause. Die einzige Möglichkeit: Im Tourismus arbeiten, etwas selbstgemachtes, geerbtes oder sich selbst verkaufen, auf dem schwarzmarkt handeln oder einen LKW erben. Wie ein durchschnittlicher kubanischer Haushalt um die Runden kommt? Ich weiß es nicht. Ich habe gefragt und die immer selbe Antwort war: „Wir wissen es auch nicht. Wir verkaufen manchmal etwas. Man kann 5 Jahre in Kuba leben und die Frage immer noch nicht beantworten.“
Der Mangel an Luxus:
Der Mangel an Luxus ist eigentlich kein Mangel. Man kann nur etwas bemängeln, das man vermisst, braucht gezeigt bekommt. Es gibt nur den Wunsch nach Luxus. Den Wunsch, irgendwann ein Fahrrad kaufen zu können, der Wunsch irgendwann in einem Hotel Urlaub machen zu können, der Wunsch ein sorgenfreieres Leben führen zu können.
In die Kategorie Luxusgüter zähle ich alles, was nicht zu Lebensmittel, Wohnen, Gesundheit und Hygiene zählt. Ein Beispiel: Ich wünsche mir eine Hängematte um die heißen kubanischen Sommernächte außerhalb meines Hauses verbringen zu können. Hängematten gibt es natürlich nicht. Gut für CUC in einem CUC-Geschäft vielleicht, aber über Preis und Qualität in solchen Geschäften habe ich schon geschrieben. Ich brauche: Haken, Seile, zwei Holzlatten. Haken: gibt es nicht. Wenn ich sage, gibt es nicht, dann meine ich: Gibt es nirgendwo zu kaufen. Unter der Hand, vielleicht. Aber man muss lange suchen. Seile: Fehlanzeige. Nirgendwo zu kaufen. Holzlatten? Im nächsten Wald zum Selbstsammeln, -schälen und -verarbeiten. Damit ist die Hängematte gestorben. Nächster Luxus: Schuhe. Ja gibt es. Gibt es auch für kubanische Peso. Recht teuer, halten ca. vier Wochen. Man kennt einen Schuster, der einem gute macht: Glück gehabt. Man hat Freunde, Verwandte im Ausland oder Touristen, die einem welche schenken: Glück gehabt. Man kennt keinen Schuster, hat keine Kontakte zu Ausländern? Pech gehabt.
Mangel an Lebensmitteln:
Dafür gilt es mehrere Sachen zu bedenken: 1. Supermärkte gibt es nicht. Es gibt Läden in denen es viele sachen gibt, die jedoch in CUC zu bezahlen sind, unverhältnismäßig teuer sind und von miserabler Qualität sind (Frühstücksfleisch, das nach Katzenfutter riecht (schmeckt), Toilettenpapier ohne Perforation und Wäscheleinen, die abfärben.). Um diese Läden machen wir inzwischen einen großen Bogen. In addition gibt es noch Läden, in denen man mit kubanischen Pesos einkaufen kann und sich „Super-Markt“ schimpfen. Das Angebot: Minzbonbons, Sojajoghurt in Tüten mit echten Sojagetreidestückchen, drei Sorten Rum, zwei Sorten Limonade, eine Sorte Bier, Streichhölzer, kubanische Zigaretten, Instant-Hühnerbrühe von Maggi, Maismehl, Tomatensauce, Wermut und Kekse. Das ist das gesamte Angebot. Diese zwölf Produkte werden in Regalen angeboten, die einen ca. 50 m² großen Verkaufsraum abgrenzen. Die gähnende Leere der Regale passt gut zur Leere des Verkaufsraums. Denn da das Angebot ähnlich klein wie teuer ist, sind Kunden der größte Mangel des Ladens.
2. Gemüse- und Obstmärkte gibt es. Sie bieten die breite Palette der aktuellen kubanischen Ernte an. Gemüse: Salat, Zwiebeln, Knoblauch, manchmal Kartoffeln, Weißkohl, ab und zu Möhren und grüne Tomaten. Obst: Guaven, Ananas, seit kurzem noch grüne Orangen und mit viel Glück Bananen. Natürlich gibt es nicht an jedem Stand alles zu kaufen. Am selben Stand an dem es gestern noch Zwiebeln, Kartoffeln, Guaven und Ananas gab, gibt es heute Zwiebeln, Bananen, Guaven und Knoblauch. Ein gutes hat es: Obst- und Gemüse ist, für unsere Verhältnisse, spottbillig. Demnächst soll es auch orange Orangen und Mangos geben. Wir freuen uns schon darauf.
Alles andere, was es nicht in oben besagten Läden zu kaufen gibt wird schwarz angeboten. Das reicht von Hühnchen und kleinen Pasteten über Schnur bis hin zu selbstgegossenem Kinderspielzeug aus Plastik. Die ertragreichste Methode gut einkaufen zu gehen ist also, sich zwei drei Stunden in der Abendzeit auf die Straße in einem der Wohnviertel zu setzen und zu warten. Kommt ein Mensch mit einem großen Beutel, Eimer oder Karton vorbei schaut man ihn an und wartet bis er einem zuruft, was er anbietet. Das ganze ist so ein bißchen wie beim Autoquartett. Dreimal zieht man eine Karte, die einem gar nichts nützt, doch beim vierten Versuch erwischt man den Mann mit Butter, Limonadepulver oder Fleisch, das einem gerade ausgegangen ist. Die erfahrenen Kubaner kennen allerdings ihre Verkäufer in ihrem Wohnviertel und wissen, wer was verkauft. Auf ein Signal hin schauen sie aus dem Fenster erkennen den Seifenverkäufer und sagen ihm was sie brauchen. Er verkauft auch meist nur an Leute, die er kennt, den natürlich ist der Straßenverkauf verboten. Wird er von der Polizei erwischt verliert er eingenommenes Geld und all seine Ware. Zudem droht eine Strafe.
Auf diesem Weg versorgen sich die Kubaner in Kuba. Hätten wir nicht schon ein paar kubanische Freunde, die uns bei unsere „Einkäufen“ helfen würden, kämen wir oft mit leeren rucksäcken nach hause. Und wieder einmal übertrifft die unkomplizierte Hilfsbereitschaft der kubanischen Bekannten das komplizierte Versorgungssystem des ohnehin schon komplizierten kubanischen Staatssystems.
Mangel an Transport:
In Havanna gibt es Busse. Alte klapprige Busse. In Varadero gibt es schöne neue chinesische Busse. Für Touristen. Im restlichen Kuba gibt es auch Busse. Alte holländische, die oben an der Frontscheibe noch die alte holländische Route stehen haben, oder alte Mercedes-Busse, die noch das orange Piktogramm mit dem kleinen Kind, das von einem größeren kind an der Hand geführt wird tragen. Alte ausrangierte Busse, aus der alten Welt, die dort schon längst der Umweltplakette oder dem TÜV zum Opfer gefallen sind. Aber ihre Zahl ist begrenzt. Da es weder Ersatzteile noch eine funktionierende staatliche Busflotte gibt, hat sich der kubanische Staat etwas großartiges einfallen lassen. Man erlaubt einfach LKW-Besitzern, ihre 50er jahre Trucks umzubauen und Passagiere zu befördern. Diese müssen natürlich selbst für Ersatzteile und Sprit aufkommen, dürfen aber auch die Fahrpreise behalten. Aus den Augen aus dem Sinn. Nun fahren die raren Dinosaurier mit Passagieren gefüllt, dieselrußend über die kubanischen Straßen. Fahrplan? Wenn man Glück hat. Hat der Fahrer keine Lust, bleibt er liegen. Schließlich hat er eine Fahrt mehr oder weniger nicht nötig. Dann fällt die Fahrt halt aus. Ist er der einzige, der auf seiner Route verkehrt, kann es problematisch werden. Eine andere Möglichkeit ist, per Autostopp zu fahren. In jeder Stadt gibt es (früher gelb-, nun blaugekleidete) Beamte, die Autos anhalten und ihnen wartende Passagiere zuweisen. Eine Anhaltepflicht haben allerdings nur Wagen mit blauem Nummernschild, die dem Staat gehören. Oft genug weisen aber auch diese mit einer Handbewegung, dass sie schon voll sind oder nur eine kurze Strecke fahren. (Siehe unser Ausflug nach Gibara und das Warten in Auras)
Der Mangel hat Kuba in seinem Griff. Er bestimmt das tägliche Leben und formte diese einzigartige Gesellschaft von kleinen Geschäftsleuten in einem System, das sich Sozialismus schimpft. Im sozialistischen Kuba gibt es für das deutsche Wort Freund viele Bezeichnungen: Amigo, Companero, Compay oder auch Socio. Die Kubaner beschreiben es treffend, wenn sie sagen: Wir leben nicht in einem „Socialismo“ sondern im „Sociolismo“. Somit bekommt auch die umgewandelte Parole an der Flughafenmauer eine ganz neue Bedeutung: „Sociolismo o Muerte!“. „Nützliche Freunde oder Tod!“ Der Mangel formte die kubanische Gesellschaft mehr, als sie Che Guevaras Idee vom neuen Menschen jemals formen konnten. Denn im Gegensatz zu Guevaras Wunsch ist der Mangel ein realer Begleiter.
Tagesablauf
Wir sind nun die sechste Woche in Kuba. So langsam etabliert sich ein festes Raster nachdem sich unser Tagesablauf richtet. Von Montag bis Donnerstag haben wir Spanischunterricht, insgesamt zehn Stunden pro Woche. Der Unterricht beginnt um 9 Uhr. Wir stehen also meist um sieben auf, denn zwischen 6 und 8 Uhr gibt es immer eine Stunde lang Wasser. Wann diese genau ist, das variiert von Tag zu Tag.
Vor ca. drei Wochen waren an der Universität Bauarbeiten und einer der Bagger hatte das Wasserrohr erwischt. In einem Land, indem Rohre genau wie Autos, Schuhe und Zahnpasta Mangelware sind war dies ein echtes Problem. So hatte dies auch zur Folge, dass wir fünf Tage in Folge ohne Wasser blieben. Lediglich zwei Eimer Pro Tag konnten wir uns organisieren. Diese gingen jedoch meist für die nötigste Körperhygiene und die Toilettenspülung drauf. Inzwischen hat es sich aber eingeschliffen, dass es wieder täglich Wasser gibt. Ein großer Luxus für uns, da wir bemerkt haben, dass Wasser wirklich ein unverzichtbares Gut ist.
Um acht begeben wir uns meist zum Frühstück. Dieses ist zu einer der festen Konstanten für uns geworden. Denn es gibt jeden Morgen zwei Brötchen mit einem Omelette und ein ein Glas verdünnten zuckerrohrsirup. Danach erledigen wir meist unsere Hausaufgaben, die abends oft auf der Strecke bleiben.
Der Spanischunterricht geht entweder bis 11.30 Uhr oder 12.30 Uhr, je nachdem wie viele Stunden wir an diesem Tag haben. Danach beginnt unser täglicher Organisationszug. Da wir beschlossen haben, dem Universitätsessen aufgrund der Qualität und des Preises den Rücken zu kehren, sind wir Selbstversorger geworden. Das bedeutet, dass wir uns unsere Mahlzeiten im kubanischen Lebensmittel-Dünnicht selbst organisieren. Wie schon im Beitrag „Mangel“ beschrieben kann dies ein langwieriger frustrierender Prozess werden. Doch die Freude über ein paar erhaschte Bananen oder ein paar kleine Guavenpasteten lässt uns die Frustration oft vergessen. Am Abend sind wir meist in der Stadt unterwegs und testen diverse Restaurants.
An Tagen an denen wir keinen Unterricht haben flüchten wir meist nach Guardalavaca, dem touristischen Traumstrand im Norden Holguins. Fluchthelfer dabei ist Lando mit seinem gelben '58er Ford F350-Truck. Lando hat das gelbe Ungetüm von seinem Vater geerbt und damit einen Sechser im Lotto erzielt. Denn in einem Land, in dem der öffentliche Personentransport quasi nicht mehr existiert sind umgebaute Lastwagen an seine Stelle getreten. Sie befördern zwischen 40 und 80 Personen auf festgelegten Strecken zu meist festen Uhrzeiten. Mit den erzielten Erlösen aus Fahrpreisen können sie nicht nur die laufenden Betriebskosten und die Spritkosten decken, sondern machen zusätzlich noch ein hübsches Sümmchen für die eigene Kasse. Somit zählen LKW-Fahrer mit Veranstaltern von illegalem Lotto und Gebrauchtwagenverkäufern zu den wohlhabendsten Personen im sozialistischen Inselstaat. Lando war bevor er Lastwagenfahrer wurde, Matheprofessor an der Uni von Holguin. So kommt es auch, dass er das Zahlenspiel so gut beherrscht, dass er zwei Ausländern den 15-fachen Preis für eine Fahrt berechnet, den ein kubanischer Fahrgast bezahlt. „Wegen dem Risiko“, sagt er. Was solls. Es ist die verlässlichste Art, für uns nach Guardalavaca zu kommen. Trotzdem heißt es, 6:30 Uhr aufzustehen, da Lando 7:30 uhr abfährt. Zu unserem Bedauern fährt er um zwei Uhr nachmittags schon zum letzten Mal nach Holguín zurück, sodass für uns meist nicht mehr als ein Halbtagesausflug übrig bleibt. Eine Ausnahme bildet der vergangene Samstag. Lando fuhr schon um 5:30 Uhr ab. Der Grund war eine kleine christliche Gemeinde, der er einen Tagesausflug nach Guardalavaca ermöglichte. Beim Mittag fragte ich seinen Kollegen und Beifahrer, nach der Gruppe und er bestätigte mir, dass es sich um eine christliche Gemeinde handelt. Ich fragte dann: „Und macht Lando das aus Freundlichkeit für diese Gemeinde?“ Die Antwort kam kurz und alles beantwortend: „Lando? No! Lando Diablo!“
Die bisherige Zeit hat ein großes Stück näher an Kuba herangeführt. Wir sehen den festen Tagesablauf als zwangsläufiges Übel zur Vorbereitung unseres Trips durch das Land. Jedoch kehrt trotz eines geregelten Tages nie Routine ein.
Vor ca. drei Wochen waren an der Universität Bauarbeiten und einer der Bagger hatte das Wasserrohr erwischt. In einem Land, indem Rohre genau wie Autos, Schuhe und Zahnpasta Mangelware sind war dies ein echtes Problem. So hatte dies auch zur Folge, dass wir fünf Tage in Folge ohne Wasser blieben. Lediglich zwei Eimer Pro Tag konnten wir uns organisieren. Diese gingen jedoch meist für die nötigste Körperhygiene und die Toilettenspülung drauf. Inzwischen hat es sich aber eingeschliffen, dass es wieder täglich Wasser gibt. Ein großer Luxus für uns, da wir bemerkt haben, dass Wasser wirklich ein unverzichtbares Gut ist.
Um acht begeben wir uns meist zum Frühstück. Dieses ist zu einer der festen Konstanten für uns geworden. Denn es gibt jeden Morgen zwei Brötchen mit einem Omelette und ein ein Glas verdünnten zuckerrohrsirup. Danach erledigen wir meist unsere Hausaufgaben, die abends oft auf der Strecke bleiben.
Der Spanischunterricht geht entweder bis 11.30 Uhr oder 12.30 Uhr, je nachdem wie viele Stunden wir an diesem Tag haben. Danach beginnt unser täglicher Organisationszug. Da wir beschlossen haben, dem Universitätsessen aufgrund der Qualität und des Preises den Rücken zu kehren, sind wir Selbstversorger geworden. Das bedeutet, dass wir uns unsere Mahlzeiten im kubanischen Lebensmittel-Dünnicht selbst organisieren. Wie schon im Beitrag „Mangel“ beschrieben kann dies ein langwieriger frustrierender Prozess werden. Doch die Freude über ein paar erhaschte Bananen oder ein paar kleine Guavenpasteten lässt uns die Frustration oft vergessen. Am Abend sind wir meist in der Stadt unterwegs und testen diverse Restaurants.
An Tagen an denen wir keinen Unterricht haben flüchten wir meist nach Guardalavaca, dem touristischen Traumstrand im Norden Holguins. Fluchthelfer dabei ist Lando mit seinem gelben '58er Ford F350-Truck. Lando hat das gelbe Ungetüm von seinem Vater geerbt und damit einen Sechser im Lotto erzielt. Denn in einem Land, in dem der öffentliche Personentransport quasi nicht mehr existiert sind umgebaute Lastwagen an seine Stelle getreten. Sie befördern zwischen 40 und 80 Personen auf festgelegten Strecken zu meist festen Uhrzeiten. Mit den erzielten Erlösen aus Fahrpreisen können sie nicht nur die laufenden Betriebskosten und die Spritkosten decken, sondern machen zusätzlich noch ein hübsches Sümmchen für die eigene Kasse. Somit zählen LKW-Fahrer mit Veranstaltern von illegalem Lotto und Gebrauchtwagenverkäufern zu den wohlhabendsten Personen im sozialistischen Inselstaat. Lando war bevor er Lastwagenfahrer wurde, Matheprofessor an der Uni von Holguin. So kommt es auch, dass er das Zahlenspiel so gut beherrscht, dass er zwei Ausländern den 15-fachen Preis für eine Fahrt berechnet, den ein kubanischer Fahrgast bezahlt. „Wegen dem Risiko“, sagt er. Was solls. Es ist die verlässlichste Art, für uns nach Guardalavaca zu kommen. Trotzdem heißt es, 6:30 Uhr aufzustehen, da Lando 7:30 uhr abfährt. Zu unserem Bedauern fährt er um zwei Uhr nachmittags schon zum letzten Mal nach Holguín zurück, sodass für uns meist nicht mehr als ein Halbtagesausflug übrig bleibt. Eine Ausnahme bildet der vergangene Samstag. Lando fuhr schon um 5:30 Uhr ab. Der Grund war eine kleine christliche Gemeinde, der er einen Tagesausflug nach Guardalavaca ermöglichte. Beim Mittag fragte ich seinen Kollegen und Beifahrer, nach der Gruppe und er bestätigte mir, dass es sich um eine christliche Gemeinde handelt. Ich fragte dann: „Und macht Lando das aus Freundlichkeit für diese Gemeinde?“ Die Antwort kam kurz und alles beantwortend: „Lando? No! Lando Diablo!“
Die bisherige Zeit hat ein großes Stück näher an Kuba herangeführt. Wir sehen den festen Tagesablauf als zwangsläufiges Übel zur Vorbereitung unseres Trips durch das Land. Jedoch kehrt trotz eines geregelten Tages nie Routine ein.
Freitag, 27. März 2009
Gibara und Auras, der Arsch Kubas.
Gibara ist eine Hafenstadt ohne Hafen, ca. 30 Kilometer nördlich von Holguín. Früher war sie durch ihren Hafen ein wichtiger Punkt für den Zuckerexport und dementsprechend wohlhabend. Besonders im ausgehenden 19. Jahrhundert entstanden viele Gebäude im Spanischen Kolonialstil mit großen hölzernen Türen, kleinen Säulen und Stuckverzierungen. 1958 wurde die Zugverbindung nach Holguin eingestellt und mit dem nachlassenden Zuckeranbau versank die Stadt in der Bedeutungslosigkeit. Die Auswirkungen dieses 50-jährigen Dornröschenschlafes wollten wir uns von Nahem ansehen. Wir zogen am Sonntag in Begleitung von Jesús zeitig am Morgen los (Wir starten eigentlich zu jedem Trip zeitig, da es nach 8 Uhr fast unmöglich ist, ein Transportmittel aus der Stadt zu bekommen.) Wir trafen uns sieben Uhr am Busbahnhof mit Jesús und stellten nach einigem Rumfragen fest, dass der Bus schon lange weg war. Nun gab es nur noch wenige Möglichkeiten: Trampen, was für uns Ausländer streng verboten ist (Der Fahrer könnte ein kapitalistisches Geschäft mit den Touristen machen) oder einen Lastwagen zu nehmen. Jesús fand heraus, dass eine Stunde später ein Lastwagen fuhr. Wir warteten also und bestiegen um viertel neun den LKW. Ein Ford F350 aus den späten fünfziger Jahren, der wie alle camiones (LKWs, die zum Personentransport eingesetzt werden) anstatt der Ladefläche eine selbstgebaute Kabine mit Luftschlitzen und Metallbänken oder angeschweißten Stühlen hat, in der ca. 50 Personen “Platz” finden. Leider fuhr der camion nur bis Velasco und wir stiegen auf halbem Wege aus und versuchten per Trampen eine Mitfahrgelegenheit zu finden. Es dauerte nicht lange bis ein camion hielt und uns bis nach Gibara fuhr. Dort schienen nicht nur die Uhren sondern auch die Menschen stehen geblieben zu sein. Eine romantische, aber total zerfallene Stadt, die von Hurrikan Ike schwer getroffen wurde. Schätzungsweise 30-40 Prozent der Häuser an der Küste hatten kein Dach mehr. Da es weder genug Geld, noch genug Dächer gibt, stehen diese Häuser nun eben leer. Gibara hat weder Industrie noch Tourismus und somit auch keinerlei Wirtschaft. Die Menschen hier leben vom illegalen Fischfang, Schiebereien und dem Verkauf kleiner Singvögel, die sie in der Region fangen und dort endemisch sind.
Nach einem herrlich frischen Krabbencocktail (10 Pesos) am höchsten Punkt der Stadt gingen wir in die Stadt hinunter. Eine Straße gesäumt von alten Kolonialbauten, die durch die Meeresluft zerfressen und morsch erschienen, führte in die Altstadt, die gleichzeitig die Neustadt und dir normale Stadt ist, da Altstadt hier eine Generalbezeichnung für die gesamte Stadt darstellt. In einer Cafeteria frühstückten wir – Eibrötchen. Wir schauten uns die “Highlights” der schlafenden Stadt an, in der kaum Menschen unterwegs waren. Da es in Gibara nicht viel gibt, kaum Läden und erst recht keinen Supermarkt gibt sind die Lebensumstände relativ schlecht. Alltägliche Sachen sind Luxus. Allerdings sind einige eigentliche Luxusgegenstände dort absolut normal. So haben Jesús und ich beispielsweise an einem Straßenstand am ehemaligen Hafen je einen Plastikbecher frische Austern in Tomatensauce mit Zitrone für je 10 Pesos gegessen. Ich will nicht sagen, dass sie mir geschmeckt haben, aber ich konnte mir diese Dekadenz einfach nicht entgehen lassen. Mein Hunger war geweckt und wir beschlossen in das einzige Restaurant zu gehen, das den Hurrikan überlebt hatte und in dem es möglich war, in Pesos zu bezahlen. Zufällig schien an diesem tag gerade eine Ladung frischer Doraden vom LKW gefallen zu sein, denn trotz Verbot stand fritierte Dorad auf dem Tagesangebot. Ich ließ mir die Möglichkeit nicht entgehen schließlich war es eine willkommene Gelegenheit den Trott aus Ei, Schwein, Huhn und Reis zu durchbrechen. Was soll ich sagen, es war sehr gut. Aber mit Dorade kann man eben nichts falsch machen. Wir beschlossen, Gibara relativ zeitig wieder zu verlassen, da es ziemlich unangenehm sein kann, am Arsch der Ewigkeit fest zu hängen und dort nicht wegzukommen. Um zwei kamen wir zum Busterminal und lasen, dass der Bus, den wir am Morgen noch verpasst hatten, erst um 16.30 Uhr zurückfuhr. Die Zwischenzeit schlief der Fahrer. Wir kamen zu der Übereinkunft, dass wir genauso zurückfahren, wie wir hingekommen sind. Wir würden einen camion nehmen, der uns bis zur Hälfte der Strecke bringt und von dort aus weitersehen. Der camion fuhr uns bis Auras. Dort war Endstation und wir gingen zum zentralen Sammelpunkt für Weiterreisende. Doch jeder LKW, der vorbeifuhr war entweder voll oder hielt einfach nicht an. Langsam sammelte sich eine Traube von ca. 50 wartenden Menschen. Wir warteten eine Stunde, zwei Stunden, drei Stunden. Die Minen schwärzten sich ein wenig. Ich wurde leicht an die Situation unseres Abfluges erinnerte. Gegen fünf Uhr sollte der Bus, der Gibara um 16.30 Uhr verlassen hatte und der uns zu spät war, Auras durchfahren. Alle hofften gespannt darauf, wenn der Bus kommen würde. Dann ein Schatten, der dem Bus durch die Kurve vorauseilte und ein großes Stöhnen der Erleichterung in der wartenden Menge. Dummerweise machte der Fahrer keinerlei Anstalten, langsamer zu werden. Dann sahen wir warum. Der Bus war mehr als voll und ein Stöhnen der Entsetzung brach aus der Masse hervor. Als wir Jesús fragend ansahen sagte er nur entsetzt: “Now we are fucked. This was our last opportunity.” Das beruhigte nicht gerade. Auch die Mitteilung, dass er noch nie so lange gewartet habe nicht. Während wir uns auf einen 15 Kilometer Fußmarsch in die einbrechende Dunkelheit einstellten (Es war inzwischen um sechs) blieb Jesús seelenruhig wie immer. Optimismus wird hier wahrscheinlich mit den Genen weitergegeben. Als es dann wirklich langsam finster wurde und Jesús die Geschichte erzählte, als er einmal in Bayamo im Busterminal schlafen musste, weil nichts mehr fuhr war unsere größte Hoffnung, dass sie uns nicht die Nieren herausschneiden, während wir in Auras, am Arsch von Kuba schlafen. Die kreisenden Geier über uns machten nicht mehr Hoffnung. Doch kreisende Geier gibt es auch am Himmel über Holguín viele. Ungefähr wie in Deutschland Greifvögel oder Krähen. Ich glaube es sind Bartgeier hier. Witzigerweise ist der Name der “Stadt” Auras ins Deutsche übersetzt....: Geier! Wie passend. Halb sieben bog aus heiterem Himmel ein klappriger Bus um die Ecke, der unplanmäßig die Strecke befuhr und rettete uns aus unserer aussichtslosen Lage. Noch nie habe ich mich so über den Bus gefreut. Jesús hatte wie so oft recht behalten. Praise to the lord. Praise to Jesus!
Nach einem herrlich frischen Krabbencocktail (10 Pesos) am höchsten Punkt der Stadt gingen wir in die Stadt hinunter. Eine Straße gesäumt von alten Kolonialbauten, die durch die Meeresluft zerfressen und morsch erschienen, führte in die Altstadt, die gleichzeitig die Neustadt und dir normale Stadt ist, da Altstadt hier eine Generalbezeichnung für die gesamte Stadt darstellt. In einer Cafeteria frühstückten wir – Eibrötchen. Wir schauten uns die “Highlights” der schlafenden Stadt an, in der kaum Menschen unterwegs waren. Da es in Gibara nicht viel gibt, kaum Läden und erst recht keinen Supermarkt gibt sind die Lebensumstände relativ schlecht. Alltägliche Sachen sind Luxus. Allerdings sind einige eigentliche Luxusgegenstände dort absolut normal. So haben Jesús und ich beispielsweise an einem Straßenstand am ehemaligen Hafen je einen Plastikbecher frische Austern in Tomatensauce mit Zitrone für je 10 Pesos gegessen. Ich will nicht sagen, dass sie mir geschmeckt haben, aber ich konnte mir diese Dekadenz einfach nicht entgehen lassen. Mein Hunger war geweckt und wir beschlossen in das einzige Restaurant zu gehen, das den Hurrikan überlebt hatte und in dem es möglich war, in Pesos zu bezahlen. Zufällig schien an diesem tag gerade eine Ladung frischer Doraden vom LKW gefallen zu sein, denn trotz Verbot stand fritierte Dorad auf dem Tagesangebot. Ich ließ mir die Möglichkeit nicht entgehen schließlich war es eine willkommene Gelegenheit den Trott aus Ei, Schwein, Huhn und Reis zu durchbrechen. Was soll ich sagen, es war sehr gut. Aber mit Dorade kann man eben nichts falsch machen. Wir beschlossen, Gibara relativ zeitig wieder zu verlassen, da es ziemlich unangenehm sein kann, am Arsch der Ewigkeit fest zu hängen und dort nicht wegzukommen. Um zwei kamen wir zum Busterminal und lasen, dass der Bus, den wir am Morgen noch verpasst hatten, erst um 16.30 Uhr zurückfuhr. Die Zwischenzeit schlief der Fahrer. Wir kamen zu der Übereinkunft, dass wir genauso zurückfahren, wie wir hingekommen sind. Wir würden einen camion nehmen, der uns bis zur Hälfte der Strecke bringt und von dort aus weitersehen. Der camion fuhr uns bis Auras. Dort war Endstation und wir gingen zum zentralen Sammelpunkt für Weiterreisende. Doch jeder LKW, der vorbeifuhr war entweder voll oder hielt einfach nicht an. Langsam sammelte sich eine Traube von ca. 50 wartenden Menschen. Wir warteten eine Stunde, zwei Stunden, drei Stunden. Die Minen schwärzten sich ein wenig. Ich wurde leicht an die Situation unseres Abfluges erinnerte. Gegen fünf Uhr sollte der Bus, der Gibara um 16.30 Uhr verlassen hatte und der uns zu spät war, Auras durchfahren. Alle hofften gespannt darauf, wenn der Bus kommen würde. Dann ein Schatten, der dem Bus durch die Kurve vorauseilte und ein großes Stöhnen der Erleichterung in der wartenden Menge. Dummerweise machte der Fahrer keinerlei Anstalten, langsamer zu werden. Dann sahen wir warum. Der Bus war mehr als voll und ein Stöhnen der Entsetzung brach aus der Masse hervor. Als wir Jesús fragend ansahen sagte er nur entsetzt: “Now we are fucked. This was our last opportunity.” Das beruhigte nicht gerade. Auch die Mitteilung, dass er noch nie so lange gewartet habe nicht. Während wir uns auf einen 15 Kilometer Fußmarsch in die einbrechende Dunkelheit einstellten (Es war inzwischen um sechs) blieb Jesús seelenruhig wie immer. Optimismus wird hier wahrscheinlich mit den Genen weitergegeben. Als es dann wirklich langsam finster wurde und Jesús die Geschichte erzählte, als er einmal in Bayamo im Busterminal schlafen musste, weil nichts mehr fuhr war unsere größte Hoffnung, dass sie uns nicht die Nieren herausschneiden, während wir in Auras, am Arsch von Kuba schlafen. Die kreisenden Geier über uns machten nicht mehr Hoffnung. Doch kreisende Geier gibt es auch am Himmel über Holguín viele. Ungefähr wie in Deutschland Greifvögel oder Krähen. Ich glaube es sind Bartgeier hier. Witzigerweise ist der Name der “Stadt” Auras ins Deutsche übersetzt....: Geier! Wie passend. Halb sieben bog aus heiterem Himmel ein klappriger Bus um die Ecke, der unplanmäßig die Strecke befuhr und rettete uns aus unserer aussichtslosen Lage. Noch nie habe ich mich so über den Bus gefreut. Jesús hatte wie so oft recht behalten. Praise to the lord. Praise to Jesus!
Abonnieren
Posts (Atom)