Ein Name wie eine Aussage. Jesús ist wie schon mehrfach erwähnt unsere Kontaktperson (Ich wehre mich gegen den Begriff Betreuer. Sollte ich ihn vorher schon einmal selbst benutzt haben, so sehe man mir meine Fahrlässigkeit nach.). Ich bin schon vor einigen Monaten mit ihm zum ersten Mal in Kontakt getreten, um den ganzen Trip soweit wie möglich zu planen. Schon damals musste ich über seinen Namen schmunzeln. Inzwischen tue ich das nicht mehr. Ich könnte mir keinen besseren menschlichen Jesús vorstellen. Er ist unser Schutzengel und hilft wo auch immer er kann. Als wir den ersten Tag nach ihm gesucht haben, wurde uns von einer der wenigen, englischsprechenden Personen gesagt: “Jesús is coming soon.” Unser Tag des jüngsten Gerichtes ist allerdings bisher noch nicht eingetreten. In Deutschland war ich von seiner: “Kommt erstmal hier her, wir regeln dann alles hier”-Einstellung ein wenig genervt. Ich kannte diese Aussagen von diversen anderen Südländern und auch einigen Deutschen und wusste, dass dann meist gar nichts passiert. Ich hatte mich wie so oft geirrt. Seit wir in Kuba sind geht wirklich fast alles von allein. Bis auf einen Duschkopf für unsere Dusche hat er bisher alles gemanaged. Er hat uns vom Flughafen abgeholt und ist uns hier bereits ein guter Freund geworden. Jesús ist äußerlich genauso, wie man sich einen Jesus nicht vorstellen würde: 52 Jahre alt, 1,80 groß, stattliches Wohlstandsbäuchlein, dunkelhaarig und kubanisch braun. Jesús ist hier der Chef der geisteswissenschaftlichen Fakultät, Professor für Sprachen und Chef des Büros für internationale Angelegenheiten. Deshalb brauche ich wahrscheinlich nicht zu sagen, dass dieser Typ was auf dem Kasten hat. Wir diskutieren oft und gern und er ist genauso wissbegierig über Deutschland, wie ich über Kuba. Ein großer Punkt, der ihn mir sehr nahe bringt ist, dass er Opel liebt. Die beste Automarke für ihn sagt er. Und das bevor er wusste, dass ich einen fahre. Was sag ich: fahren! Zelebriere, lebe und liebe. Gleich in der ersten Woche lud er uns zu sich nach Hause ein und wir haben bei den Jesúses gegessen. Seine Frau Carre ist eine sehr gute Köchin und wir haben schon abgemacht, dass wir beide uns, sobald es die Sprache zulässt, einmal austauschen werden. Mit 800 Pesos ist Jesus in seiner Heimat Spitzenverdiener. Dieses Geld reicht bei sparsamer Lebensweise ca. Bis zum 15. des Monates. Wie sie den Rest der Zeit um die Runden kommen? “Keine Ahnung, das zeigt sich immer erst im Rest des Monats.” Recht hat er. Jesús Wohnung liegt in einem Stadtteil von Holguín, der keine asphaltierten Straßen hat. Der Belag besteht aus einer Mischung aus Siliziumdioxid, Kohlenwasserstoffen und Spuren diverser Metalle und Salze. Kurz gesagt: Dreck. Er wohnt im ersten Stock, das Haus hat aber auch neben dem Erdgeschoss nur einen weiteren Stock. Die Außentreppe, die sich in einem Viertelkreis um die Hausecke schlingt hat kein Geländer. Ich weiß nicht wie viele dort schon ihren Havana Club bereut haben. Irgendwann will er eins anbringen. Nur zur Zeit gibt es keine Geländer zu besorgen.
Ja das ist Jesús. Wir sind froh solch einen Kubaner zum Ansprechpartner zu haben.
Ein besonders schöner Satz, den er oft zu sagen pflegt, wenn wir ihn fragen ob er Zeit hat: My time is free. Und er hat recht. Zeit ist wirklich verdammt nochmal frei. Sie gehört keinem und keiner kann über sie bestimmen. Zeit ist wohl das freieste Gut, was es geben kann, denn sie gehorcht niemandem. Also kann man sie auch wunderbar einmal Zeit sein lassen. Das bedeutet keineswegs, dass er faul ist. Er teilt sich nur die Zeit so ein, wie er sie braucht, und gibt sie für das aus, was ihm wichtig ist. Beneidenswert.
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