Freitag, 24. April 2009

Die Blicke der anderen

Auch in unserer sechsten Woche fühlen wir uns immer noch wie Außerirdische.
Menschen, die uns nicht kennen starren uns an. Starren uns an aufgrund unseres Aussehens, unserer Hautfarbe, weil wir Ausländer sind. Betreten wir ein Restaurant, ist uns die Aufmerksamkeit gewiss und wir werden kurzzeitig wichtiger als das Brathuhn auf dem Teller der Gäste.

Es ist ein eigenartiges Gefühl.

Natürlich kann ich es nicht mit den Gefühl gleichsetzen, das so viele andere vor uns aufgrund ihrer Hautfarbe oder ihre Herkunft gemacht haben. Wir werden nicht verfolgt, nicht geschlagen, nicht geächtet. Aber wir werden angesehen. Und wir können die Blicke nicht genau deuten.

Die Leute schauen manchmal so, als würde eine Ziege durch ein Krankenhaus laufen.

Gut so schlimm ist es vielleicht auch nicht, aber es steckt schon ein bißchen Überraschung und Verwunderung in ihren Blicken. Und um ehrlich zu sein: Ja es ist unangenehm. Es ist unangenehm, wenn man versucht in einem Land zu leben und sein Leben dort so zu gestalten, wie die anderen Leute es tun. Wenn man den Menschen versucht, Respekt entgegenzubringen und mit diesem Ziegenblick konfrontiert wird.
Natürlich können wir es uns erklären. Wir leben jetzt in einem Land, in dem Menschen nur selten die Möglichkeit haben, mit Ausländern in Kontakt zu treten.
Und wenn sie es doch mal können, dann handelt es sich meist um den etwas beleibteren Helmut aus Mannheim und seiner Frau Inge, die einen Tagesausflug in das arme Kuba machen und sich mal anschauen wollen, wie die Menschen hier leben. Sie ärgern sich darüber, dass niemand deutsch spricht und freuen sich, als sie am Abend wieder in ihre Hotelanlage zurückkehren, die ungefähr so viel mit Kuba zu tun hat, wie die Ziege mit dem Krankenhaus. Ihr Fazit ist: Da wird man doch richtig zufrieden mit seinem Leben in Deutschland. Zuhause angekommen regen sie sich dann unverzüglich über den unfreundlichen Taxifahrer und die lange Wartezeit am Einreiseschalter auf. Aber sie haben zuhause etwas zu erzählen über das echte Kuba.

Oder es ist diese Art Kontakt, den die Leute auf der Straße mit dem 60-jährigen Herbert aus Castrop-Rauxel gemacht haben.
Herbert hat sich dieses Jahr für Kuba statt Thailand als Urlaubsort entschieden. Schließlich kann man sich auch in Kuba für wenig Geld mal so richtig schön verwöhnen lassen. Und nun spaziert der etwas leptosome Herbert mit den wenigen Haaren und der Rauchernase durch Holguín. Links führt er (die erfundene) Laeticia und rechts (die ebenfalls erfundene) Yamalis. In das schickste Restaurant der Stadt. Er zahlt für alle drei zusammen 35 Euro und kann sich der Dankbarkeit der beiden Mädels sicher sein.

Ja, ich gebe es zu: ich mag Touristen nicht, obwohl ich doch dem ersten Anschein nach auch einer bin.

Ich mag die Leute nicht, die ihr Gewissen damit beruhigen, dass sie dem Hotelangehörigen ein altes Paar Badelatschen schenken, oder ihm gern mal einen 5er zustecken. Gerade dem Barmann. Der in einem Hotel arbeitet. Der in der Woche fünf paar alte Badelatschen geschenkt bekommt und sie für viel Geld an die Leute in der Stadt weiterverkauft, die keinen Kontakt mit Touristen haben. Das ist einfach dämlich. Und es ist überheblich. Es ist überheblich, mit einem Beutel am Strand langzuspazieren, voller Kulis oder Bonbons und sie dann den kleinen Kindern zu schenken, die mit ihren hübschen Muttis jeden Tag am Strand sitzen. Es ist überheblich das in der Zeit zu machen, an dem die meisten Hotelgäste auf ihren Liegen liegen und es schön beobachten können. Es ist überheblich zuhause zu erzählen, wie sehr man doch den Menschen geholfen hat mit seinen Almosen und dann das Gefühl des Samariters zu genießen, dessen Gewissen damit auch das restliche Jahr weiterhin schön ruhig schlafen kann.

Ja und wir bekommen jetzt die Rechnung für das Verhalten unserer Landsleute. Eine Portion Unvertrauen, Abwertung und Rassismus.

Ja auch das ist Rassismus. Ein Rassismus, den wir uns selbst geschaffen haben in einer Gesellschaft, die für diesen Rassismus ungeschützt empfänglich war, weil sie einfach keine Erfahrungen mit den Menschen vom anderen Stern hatte.
Ein Rassismus der soweit geht, dass sich kubanische Studentinnen, die wir kennenlernen unwohl fühlen, wenn sie mit uns ein Bier trinken gehen.
Weil alle ihre Freunde genau dasselbe denken wie im Falle von Herbert aus Castrop-Rauxel. Natürlich, der Einwurf, „Lass die Leute reden“ ist berechtigt. Sie sollten einfach nichts darauf geben, was andere Leute denken, aber sind wir ehrlich, das ist verdammt schwer. Gerade in einer Gesellschaft, die ihre Erfahrungen in diesem Gebiet erst noch sammeln muss. Das Schöne ist, dass diese Vorurteile meist nur solange anhalten, bis die ersten Worte gewechselt sind. Fragt sich nur wie lange das noch der Fall ist.
Gegen die Blicke haben wir inzwischen übrigens schon zwei wirksame Waffen gefunden. Sind sie eher neugierig und überrascht entwaffnet ein Lächeln am besten. Sind sie ein wenig feindsam, nach der Devise „Was will der denn in meinem Bus?“ dann hilft eins hervorragend: So zurückstarren, als ob man eine Ziege sieht, die durch ein Krankenhaus läuft.

Bildung einmal anders

Kuba rühmt sich vor allem mit zwei Errungenschaften der Revolution: Ihrem guten Gesundheitssystem und ihrem guten Bildungssystem.
Doch genau dieses macht nun eine merkwürdige Entwicklung. Da auch hier die Menschen genauso schlecht bezahlt werden, wie in anderen Sektoren hat eine starke Abwanderung in Richtung Tourismus eingesetzt. Lehrer, die beispielsweise Sprachunterricht gegeben haben, können ihre Kenntnisse um einiges gewinnbringender in Guardalavaca oder Varadero einsetzen, als in einer staatlichen Schule. Die Quintessenz daraus ist ein drastischer Lehrermangel. Die Regierung reagierte darauf folgendermaßen. Sie ließ die Möglichkeit, einer ansprechenden Bezahlung außer Acht und führte stattdessen den Fernseher als Lehrer ein. Mit einer Art Bildungs-TV zu allen Themengebieten in den einzelnen Fächern wird nun Unterricht gemacht. Im Klassenzimmer hängt ein Fernseher und eine nichtqualifizierte Person sitzt als physischer Lehrer im Klassenzimmer. Sie wacht darüber, dass Ruhe herrscht und alle Schüler mehr oder weniger diszipliniert, dem TV-Guide lauschen. Fragen kann sie meist nicht beantworten, da es keine Geografielehrerin ist, die den Geografieunterricht leitet. Das mit Eigenlob aus Havana gepuderte kubanische Bildungssystem könnte also bald zum Mäusekino werden. Eine erschreckende Aussicht für ein Volk, das bisher eigentlich eine recht gute Bildung genoss.

GeGu und Frodo.

Wir sind nicht mehr allein in unserem Viererzimmer. Wir haben zwei neue Mitbewohner. GeGu und Frodo.
GeGu und Frodo sind zwei Kröten, die unser Bad belegt haben. Die erste, die wir entdeckt haben ist die größere von beiden. Wir haben sie auf GeGu getauft, da sie verblüffende Ähnlichkeit mit einer Gewürzgurke mit Beinen hat. Gegu hat es sich zur Aufgabe gemacht, an den unmöglichsten Orten auf uns zu warten und uns zu erschrecken. Tagsüber versteckt er sich meist irgendwo, doch nachts ist er meist auf dem dreckigen Abflussrohr über der Dusche anzutreffen.

Wenn er nicht gerade wieder einen teuflischen Plan ausgeheckt hat...

Letztens sprang er quer durchs “Bad” und landete auf unserer Scheuerbürste. Ca. Zehn Zentimeter vor mir. Ich weiß nicht, wer mehr erschrocken ist: Er oder ich. Vor kurzem klebte er in der Dusche und machte sich erst bemerkbar, als ich schon das Wasser aufgedreht hatte. Grüner Frosch auf grünen Fliesen ist eine perfekte Kombination. Allerdings hat er auch einen Hang zum Suizid. Gestern versteckte er sich im Türrahmen der Balkontür. Auf diese Art und Weise hatten wir schon zwei Frösche verloren. Inzwischen passen wir jedoch auf. An Flucht denkt er jedoch trotz vielfältiger Möglichkeiten nicht. Ihm scheint es bei uns zu gefallen. Nur ab und an wenn wir ihn abends überraschen wirkt er ein wenig verstört. Gestern klebte er neben dem Spiegelkasten. Wir beobachteten ihn beide. Er schien die Strategie zu verflogen, „wenn ich mich nicht bewege, dann sehen sie mich auch nicht.“ Immer wenn wir wegschauten machte er eine krampfhafte Seitwärtsbewegung und verharrte, als wir uns ihm wieder zuwendeten. Dummerweise haben seine Saugnäpfe auf den Fliesen nicht sonderlich gut funktioniert und so rutschte er kontinuierlich Zentimeter für Zentimeter dem Boden entgegen. Ein Kröte die, sich verzweifelt an Fliesen festkrallend, dieselbigen runterrutscht ist ungefähr so diskret wie ein Ölfleck auf einem weißen Teppich. Nach einigen Minuten schaffte er es jedoch, sich in die Abstellkammer zu hangeln.
Frodo ist die kleine Kröte. Im Gegensatz zu GeGu hat er schwarze Augen. Wir nennen ihn Frodo, weil ich glaube, dass sich Tolkien Frodo Beutlin genauso vorgstellt haben muss. Die Hollywoodstudios haben ihm jedoch ein menschliches Aussehen gegeben. Aus Vermarktungsgründen. Außerdem beginnt „Frodo“ mit den gleichen Buchstaben, wie „Frosch“. Kreativ, was? Er ist noch nicht so lange bei uns, wie GeGu, deswegen gibt es von ihm nur wenig zu berichten.
Wir haben beide ins Herz geschlossen. Nicht weil wir sie hübsch finden, oder wir ein Menschenproblem haben, sondern aus einem ganz triftigen Grund:

Sie fressen Moskitos.

Warum soll ich arbeiten?

Geht man durch eine kubanische Stadt wird einem etwas auffallen. Warum sind vormittags wie nachmittags so viele Menschen unterwegs? Und wo sind eigentlich die großen Fabriken und Industrieanlagen, die eine so große Stadt wie beispielsweise Holguín doch bräuchte um all den Menschen eine Beschäftigung zu geben in einem Land in dem es keine Arbeitslosigkeit gibt?
Es gibt sie nicht. Oder nur wenige davon. Und die Menschen? Sie arbeiten kaum.

Laut Aussage der kubanischen Regierung gibt es fast keine Arbeitslosigkeit in Kuba.

Wieder ein schönes Beispiel, wie man eeine Statistik auf staatlichem Wege, mit statischer Festigkeit flexibilisieren kann. Arbeitet eine Person nämlich nur eine Stunde in der Woche wird sie schon als „Beschäftigter“ geführt. Der kubanische Weg der Arbeit sieht also so aus: Man geht auf Arbeit, mehr oder weniger pünktlich. In dem Kraftwerk, in dem man arbeitet schwatzt man mal mit dem Kollegen, mal mit einem anderen. Man kümmert sich, um etwas zu essen zu bekommen, redet wieder mit ein paar Freunden und geht nach Hause. Ob man nun wirklich gearbeitet hat, ist eigentlich nicht wirklich wichtig. Sein Gehalt bekommt man auch so. Und das Gehalt was man dafür bekommt spiegelt genau das wieder, was man am Tag gemacht hat. Nämlich nicht viel. Gerecht? Vielleicht. Aber in dieser Diskussion ob es gerecht ist, ist wieder die Frage von Henne und Ei anzuführen. Nur das hier die Frage recht schnell beantwortet werden kann. Der kubanische Arbeiter arbeitet nicht, weil er faul ist. Er bekommt nicht das Geld, obwohl er nicht arbeitet, sondern er arbeitet nicht, weil er kein Geld bekommt.

In den 80er Jahren ging es Kuba wirtschaftlich gesehen nicht schlecht. Man bekam sein Geld und konnte sich damit etwas kaufen. Die Periodo Especial folgte und die Preise stiegen. Der Lohn jedoch blieb der gleiche. Seit dieser Zeit haben sich die Preise zwar entspannt, sind jedoch nicht auf das alte Niveau zurückgegangen. Fazit: Das Geld was ein kubanischer Arbeiter bekommt reicht zum Leben keineswegs (siehe Rechnung „Mangel an Geld“). Also verbringen viele Leute ihre Zeit einfach damit etwas zu machen, was ihnen Spaß macht. Sie bekommen trotzdem Geld, mit dem sie aber nicht viel anfangen können. Stattdessen backen sie zuhause Kuchen, die sie dann verkaufen oder züchten Schweine, die sie schlachten und verkaufen.

Kurz, sie verdienen Geld. Schwarz. Illegal. Aber nötig.

Ein Bauer muss beispielsweise seine offizielle Ernte an den kubanischen Staat verkaufen. Für ein Pfund Kartoffeln bekommt er (angenommen) 0,5 Pesos. Der kubanische Staat verkauft dasselbe Pfund für 5 Pesos an die Bevölkerung weiter. Von den 0,5 Pesos kann der Bauer nicht leben und die 5 Pesos für die der Staat die Kartoffeln weiterverkauft sind zu teuer. Also verkauft der Bauer das Pfund doch lieber für 2 Pesos an die Bevölkerung. So stiehlt der Arbeiter doch lieber 100 Schrauben aus dem Betrieb und verkauft sie sinnvoll weiter. Das ist auch der Grund, warum an manchen Stellen viele Leute arbeiten. Wir haben Restaurants mit sechs Tischen und drei gerichten auf der Speisekarte gesehen, in denen drei Köche und sieben Kellnerinnen arbeiten. Von diesen bedienen zwei. Zwei machen sich die Nägel, eine steht an der Tür zum Speisesaal und zwei stehen draussen vor dem Restaurant und passen auf. Sie verdienen ca. 300 Pesos im Monat. Warum „arbeiten“ sie? Weil nach Dienstschluss vielleicht ein Hühnchen abfällt, ein Pfund Kartoffeln oder ein Kilo Reis. Die Restaurants gehören dem Staat. Mit dem Einkommen betrügt der Staat die Kellnerinnen.Die Kellnerinnen betrügen den Staat.
Die Kubaner glauben die Versprechungen des Staates nicht mehr, die Versprechungen Fidels, dass sie bald mehr Geld verdienen werden.

50 Jahre Revolution haben eine Realität geschaffen, in der sich legale Arbeit nicht mehr lohnt.

Dadurch entsteht allerdings ein tiefes Problem für die kubanische Gesellschaft. Dass die betrogenen Arbeiter in der Gegenwart nicht arbeiten wollen ist in Ordnung. Dass jedoch ihre Kinder dies lernen und sich fragen, warum sie denn in der Zukunft arbeiten sollen kann zum ernsthaften Problem werden. Setzt sich dieses Denken einmal in den Köpfen fest ist es innerhalb einer Generation nur schwer zu tilgen. Einer der Wege für diese Perspektivlosen kann der Weg in den Tourismus sein. Nicht als Animateur am Hotelpool sondern als Kleinkrimineller, der Ausländer mit gefälschten Zigarren überzeugen will oder als Prostituierte, die sich Ausländern für Geld, Uhren oder schicke Klamotten hingibt. Eine kubanische Gesellschaft, die stirbt.

Mangel

Es gibt nur eine Sache in Kuba, die es immer gibt. Nichts. Nichts gibt es überall und zu jeder Zeit. Außerhalb der Peripherie der großen Luxushotels und Urlauberhochburgen herrscht in Kuba der Mangel. Der Mangel an Geld, der Mangel an Lebensmitteln, der Mangel an Luxus, der Mangel an Transportmöglichkeiten und natürlich der Mangel an Demokratie. Über letzteres wurde schon oft genug ausführlich berichtet, deswegen werde ich mich auf die vorhergehenden Punkte beschränken.

Der Mangel an Geld:
Wie ich schon berichtete, liegt das kubanische Monatsgehalt irgendwo zwischen 12 und 40 CUC, also ca. 10 bzw. 35 Euro. Eine recht eindrucksvolle Berechnung eines Freundes zeigte mir, was man damit anstellen kann. Bevor ich weiterschreibe eine Bitte: Überlegt euch, wieviel der Anteil an Lebensmittel am monatlichen Nettoeinkommen in eurem Haushalt ungefähr beträgt. Ich bin bei einer sparsamen Berechnung auf ca. 15 Prozent gekommen. Jeder sollte aber bitte selbst schnell überschlagen. Danke





Fertig? Okay, los geht es. Wir rechnen mit einer kubanischen Familie mit einem Kind und zwei Einkommen im Haus.
Frühstück: Sechs kleine Brötchen und eine Tüte Sojajoghurt = 3,60 Pesos
Snack: eine kleine Guavenpastete, ein Eis oder ein paar Kekse. = 15 Pesos
Mittag: drei Pizza de Queso in der Schule, auf Arbeit, etc. (Die Pizza hat 15 Zentimeter Durchmesser und ein Gewicht von 203 Gramm. Also wirklich ein Snack) = 15 Pesos
Abendessen: Ein Pfund Hühnchen, ein Pfund Reis, Ein Pfund Bohnen, Getränke (bisher ausgelassen) = 40 Pesos
In Summe also 73,60 Pesos. Mal 30 Tage macht: 2208 Peso im Monat. Rechnen wir weiter damit, dass beide recht gut verdienen, also ca. 700 Pesos im Monat (28 CUC). Einkommen = 1400 Pesos, Ausgaben (für Essen) = 2208 Pesos. Hoppla! Peter Zwegat wäre entsetzt und würde mit belehrender Miene über seine kleine Brille den verschwenderischen Schuldner anschauen. „Sie verdienen zu wenig“, würde er sagen. Dumm nur, dass man nicht mehr verdienen kann. Ein hochqualifizierter Uniprofessor geht mit 800 Pesos nach Hause. Die einzige Möglichkeit: Im Tourismus arbeiten, etwas selbstgemachtes, geerbtes oder sich selbst verkaufen, auf dem schwarzmarkt handeln oder einen LKW erben. Wie ein durchschnittlicher kubanischer Haushalt um die Runden kommt? Ich weiß es nicht. Ich habe gefragt und die immer selbe Antwort war: „Wir wissen es auch nicht. Wir verkaufen manchmal etwas. Man kann 5 Jahre in Kuba leben und die Frage immer noch nicht beantworten.“

Der Mangel an Luxus:

Der Mangel an Luxus ist eigentlich kein Mangel. Man kann nur etwas bemängeln, das man vermisst, braucht gezeigt bekommt. Es gibt nur den Wunsch nach Luxus. Den Wunsch, irgendwann ein Fahrrad kaufen zu können, der Wunsch irgendwann in einem Hotel Urlaub machen zu können, der Wunsch ein sorgenfreieres Leben führen zu können.
In die Kategorie Luxusgüter zähle ich alles, was nicht zu Lebensmittel, Wohnen, Gesundheit und Hygiene zählt. Ein Beispiel: Ich wünsche mir eine Hängematte um die heißen kubanischen Sommernächte außerhalb meines Hauses verbringen zu können. Hängematten gibt es natürlich nicht. Gut für CUC in einem CUC-Geschäft vielleicht, aber über Preis und Qualität in solchen Geschäften habe ich schon geschrieben. Ich brauche: Haken, Seile, zwei Holzlatten. Haken: gibt es nicht. Wenn ich sage, gibt es nicht, dann meine ich: Gibt es nirgendwo zu kaufen. Unter der Hand, vielleicht. Aber man muss lange suchen. Seile: Fehlanzeige. Nirgendwo zu kaufen. Holzlatten? Im nächsten Wald zum Selbstsammeln, -schälen und -verarbeiten. Damit ist die Hängematte gestorben. Nächster Luxus: Schuhe. Ja gibt es. Gibt es auch für kubanische Peso. Recht teuer, halten ca. vier Wochen. Man kennt einen Schuster, der einem gute macht: Glück gehabt. Man hat Freunde, Verwandte im Ausland oder Touristen, die einem welche schenken: Glück gehabt. Man kennt keinen Schuster, hat keine Kontakte zu Ausländern? Pech gehabt.

Mangel an Lebensmitteln:

Dafür gilt es mehrere Sachen zu bedenken: 1. Supermärkte gibt es nicht. Es gibt Läden in denen es viele sachen gibt, die jedoch in CUC zu bezahlen sind, unverhältnismäßig teuer sind und von miserabler Qualität sind (Frühstücksfleisch, das nach Katzenfutter riecht (schmeckt), Toilettenpapier ohne Perforation und Wäscheleinen, die abfärben.). Um diese Läden machen wir inzwischen einen großen Bogen. In addition gibt es noch Läden, in denen man mit kubanischen Pesos einkaufen kann und sich „Super-Markt“ schimpfen. Das Angebot: Minzbonbons, Sojajoghurt in Tüten mit echten Sojagetreidestückchen, drei Sorten Rum, zwei Sorten Limonade, eine Sorte Bier, Streichhölzer, kubanische Zigaretten, Instant-Hühnerbrühe von Maggi, Maismehl, Tomatensauce, Wermut und Kekse. Das ist das gesamte Angebot. Diese zwölf Produkte werden in Regalen angeboten, die einen ca. 50 m² großen Verkaufsraum abgrenzen. Die gähnende Leere der Regale passt gut zur Leere des Verkaufsraums. Denn da das Angebot ähnlich klein wie teuer ist, sind Kunden der größte Mangel des Ladens.
2. Gemüse- und Obstmärkte gibt es. Sie bieten die breite Palette der aktuellen kubanischen Ernte an. Gemüse: Salat, Zwiebeln, Knoblauch, manchmal Kartoffeln, Weißkohl, ab und zu Möhren und grüne Tomaten. Obst: Guaven, Ananas, seit kurzem noch grüne Orangen und mit viel Glück Bananen. Natürlich gibt es nicht an jedem Stand alles zu kaufen. Am selben Stand an dem es gestern noch Zwiebeln, Kartoffeln, Guaven und Ananas gab, gibt es heute Zwiebeln, Bananen, Guaven und Knoblauch. Ein gutes hat es: Obst- und Gemüse ist, für unsere Verhältnisse, spottbillig. Demnächst soll es auch orange Orangen und Mangos geben. Wir freuen uns schon darauf.

Alles andere, was es nicht in oben besagten Läden zu kaufen gibt wird schwarz angeboten. Das reicht von Hühnchen und kleinen Pasteten über Schnur bis hin zu selbstgegossenem Kinderspielzeug aus Plastik. Die ertragreichste Methode gut einkaufen zu gehen ist also, sich zwei drei Stunden in der Abendzeit auf die Straße in einem der Wohnviertel zu setzen und zu warten. Kommt ein Mensch mit einem großen Beutel, Eimer oder Karton vorbei schaut man ihn an und wartet bis er einem zuruft, was er anbietet. Das ganze ist so ein bißchen wie beim Autoquartett. Dreimal zieht man eine Karte, die einem gar nichts nützt, doch beim vierten Versuch erwischt man den Mann mit Butter, Limonadepulver oder Fleisch, das einem gerade ausgegangen ist. Die erfahrenen Kubaner kennen allerdings ihre Verkäufer in ihrem Wohnviertel und wissen, wer was verkauft. Auf ein Signal hin schauen sie aus dem Fenster erkennen den Seifenverkäufer und sagen ihm was sie brauchen. Er verkauft auch meist nur an Leute, die er kennt, den natürlich ist der Straßenverkauf verboten. Wird er von der Polizei erwischt verliert er eingenommenes Geld und all seine Ware. Zudem droht eine Strafe.
Auf diesem Weg versorgen sich die Kubaner in Kuba. Hätten wir nicht schon ein paar kubanische Freunde, die uns bei unsere „Einkäufen“ helfen würden, kämen wir oft mit leeren rucksäcken nach hause. Und wieder einmal übertrifft die unkomplizierte Hilfsbereitschaft der kubanischen Bekannten das komplizierte Versorgungssystem des ohnehin schon komplizierten kubanischen Staatssystems.


Mangel an Transport:

In Havanna gibt es Busse. Alte klapprige Busse. In Varadero gibt es schöne neue chinesische Busse. Für Touristen. Im restlichen Kuba gibt es auch Busse. Alte holländische, die oben an der Frontscheibe noch die alte holländische Route stehen haben, oder alte Mercedes-Busse, die noch das orange Piktogramm mit dem kleinen Kind, das von einem größeren kind an der Hand geführt wird tragen. Alte ausrangierte Busse, aus der alten Welt, die dort schon längst der Umweltplakette oder dem TÜV zum Opfer gefallen sind. Aber ihre Zahl ist begrenzt. Da es weder Ersatzteile noch eine funktionierende staatliche Busflotte gibt, hat sich der kubanische Staat etwas großartiges einfallen lassen. Man erlaubt einfach LKW-Besitzern, ihre 50er jahre Trucks umzubauen und Passagiere zu befördern. Diese müssen natürlich selbst für Ersatzteile und Sprit aufkommen, dürfen aber auch die Fahrpreise behalten. Aus den Augen aus dem Sinn. Nun fahren die raren Dinosaurier mit Passagieren gefüllt, dieselrußend über die kubanischen Straßen. Fahrplan? Wenn man Glück hat. Hat der Fahrer keine Lust, bleibt er liegen. Schließlich hat er eine Fahrt mehr oder weniger nicht nötig. Dann fällt die Fahrt halt aus. Ist er der einzige, der auf seiner Route verkehrt, kann es problematisch werden. Eine andere Möglichkeit ist, per Autostopp zu fahren. In jeder Stadt gibt es (früher gelb-, nun blaugekleidete) Beamte, die Autos anhalten und ihnen wartende Passagiere zuweisen. Eine Anhaltepflicht haben allerdings nur Wagen mit blauem Nummernschild, die dem Staat gehören. Oft genug weisen aber auch diese mit einer Handbewegung, dass sie schon voll sind oder nur eine kurze Strecke fahren. (Siehe unser Ausflug nach Gibara und das Warten in Auras)

Der Mangel hat Kuba in seinem Griff. Er bestimmt das tägliche Leben und formte diese einzigartige Gesellschaft von kleinen Geschäftsleuten in einem System, das sich Sozialismus schimpft. Im sozialistischen Kuba gibt es für das deutsche Wort Freund viele Bezeichnungen: Amigo, Companero, Compay oder auch Socio. Die Kubaner beschreiben es treffend, wenn sie sagen: Wir leben nicht in einem „Socialismo“ sondern im „Sociolismo“. Somit bekommt auch die umgewandelte Parole an der Flughafenmauer eine ganz neue Bedeutung: „Sociolismo o Muerte!“. „Nützliche Freunde oder Tod!“ Der Mangel formte die kubanische Gesellschaft mehr, als sie Che Guevaras Idee vom neuen Menschen jemals formen konnten. Denn im Gegensatz zu Guevaras Wunsch ist der Mangel ein realer Begleiter.

Tagesablauf

Wir sind nun die sechste Woche in Kuba. So langsam etabliert sich ein festes Raster nachdem sich unser Tagesablauf richtet. Von Montag bis Donnerstag haben wir Spanischunterricht, insgesamt zehn Stunden pro Woche. Der Unterricht beginnt um 9 Uhr. Wir stehen also meist um sieben auf, denn zwischen 6 und 8 Uhr gibt es immer eine Stunde lang Wasser. Wann diese genau ist, das variiert von Tag zu Tag.
Vor ca. drei Wochen waren an der Universität Bauarbeiten und einer der Bagger hatte das Wasserrohr erwischt. In einem Land, indem Rohre genau wie Autos, Schuhe und Zahnpasta Mangelware sind war dies ein echtes Problem. So hatte dies auch zur Folge, dass wir fünf Tage in Folge ohne Wasser blieben. Lediglich zwei Eimer Pro Tag konnten wir uns organisieren. Diese gingen jedoch meist für die nötigste Körperhygiene und die Toilettenspülung drauf. Inzwischen hat es sich aber eingeschliffen, dass es wieder täglich Wasser gibt. Ein großer Luxus für uns, da wir bemerkt haben, dass Wasser wirklich ein unverzichtbares Gut ist.

Um acht begeben wir uns meist zum Frühstück. Dieses ist zu einer der festen Konstanten für uns geworden. Denn es gibt jeden Morgen zwei Brötchen mit einem Omelette und ein ein Glas verdünnten zuckerrohrsirup. Danach erledigen wir meist unsere Hausaufgaben, die abends oft auf der Strecke bleiben.
Der Spanischunterricht geht entweder bis 11.30 Uhr oder 12.30 Uhr, je nachdem wie viele Stunden wir an diesem Tag haben. Danach beginnt unser täglicher Organisationszug. Da wir beschlossen haben, dem Universitätsessen aufgrund der Qualität und des Preises den Rücken zu kehren, sind wir Selbstversorger geworden. Das bedeutet, dass wir uns unsere Mahlzeiten im kubanischen Lebensmittel-Dünnicht selbst organisieren. Wie schon im Beitrag „Mangel“ beschrieben kann dies ein langwieriger frustrierender Prozess werden. Doch die Freude über ein paar erhaschte Bananen oder ein paar kleine Guavenpasteten lässt uns die Frustration oft vergessen. Am Abend sind wir meist in der Stadt unterwegs und testen diverse Restaurants.

An Tagen an denen wir keinen Unterricht haben flüchten wir meist nach Guardalavaca, dem touristischen Traumstrand im Norden Holguins. Fluchthelfer dabei ist Lando mit seinem gelben '58er Ford F350-Truck. Lando hat das gelbe Ungetüm von seinem Vater geerbt und damit einen Sechser im Lotto erzielt. Denn in einem Land, in dem der öffentliche Personentransport quasi nicht mehr existiert sind umgebaute Lastwagen an seine Stelle getreten. Sie befördern zwischen 40 und 80 Personen auf festgelegten Strecken zu meist festen Uhrzeiten. Mit den erzielten Erlösen aus Fahrpreisen können sie nicht nur die laufenden Betriebskosten und die Spritkosten decken, sondern machen zusätzlich noch ein hübsches Sümmchen für die eigene Kasse. Somit zählen LKW-Fahrer mit Veranstaltern von illegalem Lotto und Gebrauchtwagenverkäufern zu den wohlhabendsten Personen im sozialistischen Inselstaat. Lando war bevor er Lastwagenfahrer wurde, Matheprofessor an der Uni von Holguin. So kommt es auch, dass er das Zahlenspiel so gut beherrscht, dass er zwei Ausländern den 15-fachen Preis für eine Fahrt berechnet, den ein kubanischer Fahrgast bezahlt. „Wegen dem Risiko“, sagt er. Was solls. Es ist die verlässlichste Art, für uns nach Guardalavaca zu kommen. Trotzdem heißt es, 6:30 Uhr aufzustehen, da Lando 7:30 uhr abfährt. Zu unserem Bedauern fährt er um zwei Uhr nachmittags schon zum letzten Mal nach Holguín zurück, sodass für uns meist nicht mehr als ein Halbtagesausflug übrig bleibt. Eine Ausnahme bildet der vergangene Samstag. Lando fuhr schon um 5:30 Uhr ab. Der Grund war eine kleine christliche Gemeinde, der er einen Tagesausflug nach Guardalavaca ermöglichte. Beim Mittag fragte ich seinen Kollegen und Beifahrer, nach der Gruppe und er bestätigte mir, dass es sich um eine christliche Gemeinde handelt. Ich fragte dann: „Und macht Lando das aus Freundlichkeit für diese Gemeinde?“ Die Antwort kam kurz und alles beantwortend: „Lando? No! Lando Diablo!“
Die bisherige Zeit hat ein großes Stück näher an Kuba herangeführt. Wir sehen den festen Tagesablauf als zwangsläufiges Übel zur Vorbereitung unseres Trips durch das Land. Jedoch kehrt trotz eines geregelten Tages nie Routine ein.

Freitag, 27. März 2009

Gibara und Auras, der Arsch Kubas.

Gibara ist eine Hafenstadt ohne Hafen, ca. 30 Kilometer nördlich von Holguín. Früher war sie durch ihren Hafen ein wichtiger Punkt für den Zuckerexport und dementsprechend wohlhabend. Besonders im ausgehenden 19. Jahrhundert entstanden viele Gebäude im Spanischen Kolonialstil mit großen hölzernen Türen, kleinen Säulen und Stuckverzierungen. 1958 wurde die Zugverbindung nach Holguin eingestellt und mit dem nachlassenden Zuckeranbau versank die Stadt in der Bedeutungslosigkeit. Die Auswirkungen dieses 50-jährigen Dornröschenschlafes wollten wir uns von Nahem ansehen. Wir zogen am Sonntag in Begleitung von Jesús zeitig am Morgen los (Wir starten eigentlich zu jedem Trip zeitig, da es nach 8 Uhr fast unmöglich ist, ein Transportmittel aus der Stadt zu bekommen.) Wir trafen uns sieben Uhr am Busbahnhof mit Jesús und stellten nach einigem Rumfragen fest, dass der Bus schon lange weg war. Nun gab es nur noch wenige Möglichkeiten: Trampen, was für uns Ausländer streng verboten ist (Der Fahrer könnte ein kapitalistisches Geschäft mit den Touristen machen) oder einen Lastwagen zu nehmen. Jesús fand heraus, dass eine Stunde später ein Lastwagen fuhr. Wir warteten also und bestiegen um viertel neun den LKW. Ein Ford F350 aus den späten fünfziger Jahren, der wie alle camiones (LKWs, die zum Personentransport eingesetzt werden) anstatt der Ladefläche eine selbstgebaute Kabine mit Luftschlitzen und Metallbänken oder angeschweißten Stühlen hat, in der ca. 50 Personen “Platz” finden. Leider fuhr der camion nur bis Velasco und wir stiegen auf halbem Wege aus und versuchten per Trampen eine Mitfahrgelegenheit zu finden. Es dauerte nicht lange bis ein camion hielt und uns bis nach Gibara fuhr. Dort schienen nicht nur die Uhren sondern auch die Menschen stehen geblieben zu sein. Eine romantische, aber total zerfallene Stadt, die von Hurrikan Ike schwer getroffen wurde. Schätzungsweise 30-40 Prozent der Häuser an der Küste hatten kein Dach mehr. Da es weder genug Geld, noch genug Dächer gibt, stehen diese Häuser nun eben leer. Gibara hat weder Industrie noch Tourismus und somit auch keinerlei Wirtschaft. Die Menschen hier leben vom illegalen Fischfang, Schiebereien und dem Verkauf kleiner Singvögel, die sie in der Region fangen und dort endemisch sind.
Nach einem herrlich frischen Krabbencocktail (10 Pesos) am höchsten Punkt der Stadt gingen wir in die Stadt hinunter. Eine Straße gesäumt von alten Kolonialbauten, die durch die Meeresluft zerfressen und morsch erschienen, führte in die Altstadt, die gleichzeitig die Neustadt und dir normale Stadt ist, da Altstadt hier eine Generalbezeichnung für die gesamte Stadt darstellt. In einer Cafeteria frühstückten wir – Eibrötchen. Wir schauten uns die “Highlights” der schlafenden Stadt an, in der kaum Menschen unterwegs waren. Da es in Gibara nicht viel gibt, kaum Läden und erst recht keinen Supermarkt gibt sind die Lebensumstände relativ schlecht. Alltägliche Sachen sind Luxus. Allerdings sind einige eigentliche Luxusgegenstände dort absolut normal. So haben Jesús und ich beispielsweise an einem Straßenstand am ehemaligen Hafen je einen Plastikbecher frische Austern in Tomatensauce mit Zitrone für je 10 Pesos gegessen. Ich will nicht sagen, dass sie mir geschmeckt haben, aber ich konnte mir diese Dekadenz einfach nicht entgehen lassen. Mein Hunger war geweckt und wir beschlossen in das einzige Restaurant zu gehen, das den Hurrikan überlebt hatte und in dem es möglich war, in Pesos zu bezahlen. Zufällig schien an diesem tag gerade eine Ladung frischer Doraden vom LKW gefallen zu sein, denn trotz Verbot stand fritierte Dorad auf dem Tagesangebot. Ich ließ mir die Möglichkeit nicht entgehen schließlich war es eine willkommene Gelegenheit den Trott aus Ei, Schwein, Huhn und Reis zu durchbrechen. Was soll ich sagen, es war sehr gut. Aber mit Dorade kann man eben nichts falsch machen. Wir beschlossen, Gibara relativ zeitig wieder zu verlassen, da es ziemlich unangenehm sein kann, am Arsch der Ewigkeit fest zu hängen und dort nicht wegzukommen. Um zwei kamen wir zum Busterminal und lasen, dass der Bus, den wir am Morgen noch verpasst hatten, erst um 16.30 Uhr zurückfuhr. Die Zwischenzeit schlief der Fahrer. Wir kamen zu der Übereinkunft, dass wir genauso zurückfahren, wie wir hingekommen sind. Wir würden einen camion nehmen, der uns bis zur Hälfte der Strecke bringt und von dort aus weitersehen. Der camion fuhr uns bis Auras. Dort war Endstation und wir gingen zum zentralen Sammelpunkt für Weiterreisende. Doch jeder LKW, der vorbeifuhr war entweder voll oder hielt einfach nicht an. Langsam sammelte sich eine Traube von ca. 50 wartenden Menschen. Wir warteten eine Stunde, zwei Stunden, drei Stunden. Die Minen schwärzten sich ein wenig. Ich wurde leicht an die Situation unseres Abfluges erinnerte. Gegen fünf Uhr sollte der Bus, der Gibara um 16.30 Uhr verlassen hatte und der uns zu spät war, Auras durchfahren. Alle hofften gespannt darauf, wenn der Bus kommen würde. Dann ein Schatten, der dem Bus durch die Kurve vorauseilte und ein großes Stöhnen der Erleichterung in der wartenden Menge. Dummerweise machte der Fahrer keinerlei Anstalten, langsamer zu werden. Dann sahen wir warum. Der Bus war mehr als voll und ein Stöhnen der Entsetzung brach aus der Masse hervor. Als wir Jesús fragend ansahen sagte er nur entsetzt: “Now we are fucked. This was our last opportunity.” Das beruhigte nicht gerade. Auch die Mitteilung, dass er noch nie so lange gewartet habe nicht. Während wir uns auf einen 15 Kilometer Fußmarsch in die einbrechende Dunkelheit einstellten (Es war inzwischen um sechs) blieb Jesús seelenruhig wie immer. Optimismus wird hier wahrscheinlich mit den Genen weitergegeben. Als es dann wirklich langsam finster wurde und Jesús die Geschichte erzählte, als er einmal in Bayamo im Busterminal schlafen musste, weil nichts mehr fuhr war unsere größte Hoffnung, dass sie uns nicht die Nieren herausschneiden, während wir in Auras, am Arsch von Kuba schlafen. Die kreisenden Geier über uns machten nicht mehr Hoffnung. Doch kreisende Geier gibt es auch am Himmel über Holguín viele. Ungefähr wie in Deutschland Greifvögel oder Krähen. Ich glaube es sind Bartgeier hier. Witzigerweise ist der Name der “Stadt” Auras ins Deutsche übersetzt....: Geier! Wie passend. Halb sieben bog aus heiterem Himmel ein klappriger Bus um die Ecke, der unplanmäßig die Strecke befuhr und rettete uns aus unserer aussichtslosen Lage. Noch nie habe ich mich so über den Bus gefreut. Jesús hatte wie so oft recht behalten. Praise to the lord. Praise to Jesus!

Die widerliche Seite Kubas.

Neben vielen schönen und auch verrückten Eindrücken haben wir vor kurzem auch eins der hässlichen Gesichter Kubas kennengelernt. Wir kamen am Abend aus Gibara zurück und vor unseren Stammrestaurants hatten sich schon beträchtliche Menschenschlangen gebildet. Da wir jedoch hungrig waren und nicht lange warten wollten, beschlossen wir eines der klimatisierten, gehobenen Restaurants der Palmares-Kette aufzusuchen. In Palmares-Restaurants kann man nur in CUC bezahlen, deswegen sind diese meist nur wenig besucht. Eigentlich für Touristen gedacht, sammeln sich dort meist die Kubaner an, die Geld haben. Als Kubaner Geld haben kann man aus vier Gründen:
Man hat Verwandte im Ausland, die jeden Monat Geld schicken.
Man arbeitet in einem der wenigen Unternehmen, die ihren Firmensitz im Ausland haben und in Kuba in CUC bezahlen
Man hat Glück und hat einen eigenen LKW, nutzt diesen zum Personentransport und scheffelt damit soviele Pesos, dass man auch nach dem Umtausch in CUC noch eine stattliche Menge verdient.
Man verkauft sich. Bietet Sex für Geld an reiche Touristen an, lässt sich von diesen aushalten etc.
Alle diese vier unterschiedlichen Gründe laufen jedoch auf dasselbe hinaus: Die “vermögenden” Kubaner behängen sich mit protzigen Goldkettchen, bestücken sich mit allerlei ausländischen Marken (Besonders beliebt: Mercedes- und BMW-Mützen, FC Chelsea-Trikots, Ducati-T-Shirts und Lacoste-Poloshirts). Dabei gilt: Je auffälliger desto besser bei beiden Geschlechtern und je knapper und funkelnder desto besser bei den Damen. Ich glaube ein ähnliches Phänomen (eines der vielen) gab es im Osten Deutschlands, als die Mauer noch stand, beziehungsweise kurz danach. Neben dem knallbunten Auftreten benehmen sich diese Leute wie die offenen Hosen. Sie rauchen in Kneipen, in denen es nicht gestattet ist und leisten nur widerwillig der Aufforderung, das zu unterlassen Folge. Sie können kein Gespräch in normaler Lautstärke führen, haben keinerlei Manieren und flanieren durch die Gegend, als hätten sie den Boden unter ihren Füßen eigenhändig aus dem Stein gehauen. Meist ist es dann jedoch so, dass diese Leute in den verlottertsten Hütten (kein Schimpfwort für Haus, sondern es sind einfach nur Hütten) wohnen, ihre Kinder vernachlässigen oder sich nicht um kranke Verwandte kümmern. Es geht ihnen nur darum ihre schicke Fassade weiterhin aufrecht zu erhalten. Natürlich gibt es dieses Phänomen in Deutschland ebenfalls, doch die Intensität und die Offenheit, mit der diese Arroganz hier zur Schau gestellt wird ist absolut ekelhaft. Wir haben uns nach dem Besuch geschworen ab sofort einen weiten Bogen um alles zu machen, was in CUC anbietet. Bisher gelingt uns das auch meist gut.
Hier sieht man allerdings wunderbar eines der größten Probleme Kubas. Es ist nicht möglich, ein Land und eine Gesellschaft aufrecht zu erhalten, wenn es zwei Währungen gibt und die Löhne nur in der wertloseren Währung bezahlt werden. Neben den Parallelwährungen gibt es dann folgerichtig Parallelgesellschaften. Und diese Schere öffnet sich gerade erschreckend. Die Kubaner, die wenig Geld haben, sehen das zurzeit noch nicht als das größte Problem an, doch ist einer der zahlreichen Nägel, die sich immer tiefer und tiefer durch den kubanischen Eichensargdeckel treiben. Während die ältere Generation noch wenig von diesem Problem betroffen scheint sind Jugendliche dafür besonders anfällig, wie man oft genug beobachten kann. Jede Art von Marke wird so protzig wie nur möglich zur Schau gestellt. Die Folge kann eine schlimme sein. Während Kuba noch eines der Länder ist, in denen man als Tourist ehrlich herzlich empfangen wird und von Schleppern und penetranten Touristenfängern noch einigermaßen verschont bleibt, kann sich das schnell ändern. Schließlich ist das Anbetteln von Touristen, die meist nur CUC mit sich führen unglaublich lukrativ und der beste Weg einfach an die harte Währung zu kommen. Ein großes Stück Kubas einzigartigen Charmes könnte mit dieser Generation sterben.

Nachtrag

Wir haben heute am Strand das Frühstücksfleisch ausprobiert. Bäääh. Es sah aus wie Katzenfutter, roch wie Katzenfutter und schmeckte auch so. Als ich zu Rüd sagte, dass das wahrscheinlich sowas wie ungebratenes Hackfleisch ist gab er zu bedenken: Ungebratenes Hackfleisch schmeckt aber wenigstens. Recht hatte er. Der widerwillige Eigengeschmack des Fleisch war so wie ich mir vorstelle, dass das grüne Zeug, das sich manchmal im Gemüsefach des Kühlschranks ansammelt, schmecken muss. Sollte ich je auf den Gedanken kommen, mir eine Katze zuzulegen werde ich ihr niemals Dosenfutter vorsetzen. Das ist ja unmenschlich. Merke: Sachen aus Läden, in denen man mit CUC bezahlen kann sind grundsätzlich Mist. Aber dafür sind sie teuer. Wenigstens was. Unser in diesem Laden gekauftes Toilettenpapier ist aus der selben Schublade. Marke Sandpapier grau, 500er Körnung. Außerdem befinden sich mal einen halben Meter lange Abschnitte dabei, bei denen keine Perforation vorhanden ist. Man muss also Augenmaß beweisen um die gewohnte Handlichkeit zu bekommen. Bei dieser Erfahrung habe ich mich gefragt: Ist die Länge der einzelnen Toilettenpapierabschnitte weltweit einheitlich? Egal wo ich auf der Welt bin habe so dieses heimatliche Gefühl des Vertrautheit bei der Länge der Toilettenpapierabschnitte. Egal. Wenn ich wieder in Deutschland bin werde ich der Firma Lupack einen gepfefferten Brief schreiben.

Klassisch kubanisch kochen.

Wir sind nun knappe zwei Wochen in Kuba. Unsere Hautfarbe nähert sich so langsam aber sicher der kubanischen an. Allerdings haben wir erst ca. 20 Prozent der kubanischen Pigmentierung erreicht. Unser Spanisch kann sich einigermaßen sehen lassen. Wir können nun in der “Cafeteria” Eibrötchen bestellen ohne Würstchen zu bekommen. Unsere Verdauung ist von größeren “Durchläufern” verschont geblieben, obwohl wir fast alles an fast allen Straßenständen ausprobieren. Das ist auch ein schöner Punkt an Kuba. Wir sind nicht in einem Entwicklungsland, indem sich die Leute nach dem Toilettengang mit Palmblättern reinigen und eine Colaflasche anbeten. Wir sind in einem Land in dem der Akademikeranteil mehr als 60 Prozent beträgt. Wir sind in einem Land, in dem die Schulpflicht zwölf Jahre beträgt und die Analphabetenrate unter der deutschen liegt. Die scheinbare Rückständigkeit dieser Insel ist nicht auf die Faulheit und Dummheit der Leute zurückzuführen, sondern einfach darauf, dass es nicht viel gibt. Deswegen kann man (meistens) davon ausgehen, dass der Umgang mit Lebensmitteln oder generell allem was die Gesundheit angeht sehr aufgeklärt und professionell ist. Natürlich werden die hygienischen Überzustände hier nicht erreicht, aber das werden sie wahrscheinlich in keinem Land. Man kann aber sichergehen, dass man nichts verdorbenes oder giftiges bekommt. Dies bedeutet allerdings nicht, dass das, was man bekommt immer sonderlich schmackhaft ist. Die kreolisch-kubanische Küche ist weit von dem entfernt, was der Neckermann-Prospekt für die All-Inclusive-Gäste verspricht. Sie ist sehr einfach und wenig abwechslungsreich. Die Hauptnahrungsmittel sind Huhn (frittiert, geräuchert, Frikasse), Schwein (in allen Formen) Reis mit roten, braunen oder schwarzen Bohnen und Pizza. Dass es kein (oder kaum) Rind gibt liegt daran, dass es für Kubaner verboten ist. Es ist nur den Touristenressorts vorbehalten. Was jedoch noch lange nicht bedeutet, dass es nicht auch manchmal unter der Hand verkauft wird. Dass es keinen Fisch gibt hängt einfach damit zusammen, dass 1. Die Kubaner auf einer Insel leben und deswegen das Zeug nicht mehr sehen können und 2. Es unglaublich schwer ist, eine Fischfangerlaubnis zu bekommen, da (siehe Rind) dieser den Touristen vorbehalten ist. Es beschwert sich aber aufgrund von 1. auch niemand darüber, dass es keinen Fisch gibt. Die kubanischen Pizzas habe ich vorhergehend schon beschrieben. Kleine Hefeteigfladen mit überschaubarem Belag. Zusammengefasst, das Essen ist nich sonderlich abwechslungsreich, meist auch ebenso wenig heiß, aber trotzdem sehr schmackhaft und von hoher Qualität. In Guardalavaca beispielsweise habe ich ein Hühnersteak gegessen, dass bisher seines gleichen sucht. Zart, gut gewürzt, lecker. Aufgrund der Preise ist es für uns einfach, jeden Abend essen zu gehen. Für Kubaner jedoch ist es nicht erschwinglich, mehrmals im Monat im Restaurant zu essen.
Hier an der Uni bekommen wir für unsere relativ hohe Miete ein Frühstück und ein Abendessen. Das Frühstück hält nur wenige Überraschungen bereit. Entweder gibt es einen tellergroßen Eierpfannkuchen, der nochmals frittiert worden scheint oder zwei Brötchen mit einem Spiegelei in der Mitte. Am ersten tag lag noch eine Scheibe Tomate dazwischen, am zweiten nur Ei und Brötchen, am dritten war das Brötchen nicht aufgeschnitten sondern nur auf das Spiegelei aufgelegt und am vergangenen Freitag gab es keine Brötchen, deswegen auch logischerweise keine Eier. So begnügten wir uns mit den weiteren beiden Bestandteilen: Einen Glas verdünntem Zuckerrohrsirup und einer Mokkatasse heißem Kaffee. Obwohl, man sollte es vielleicht heiße Cola ohne Kohlensäure nennen. Der Zuckergehalt übersteigt auf jeden Fall den Kaffeegehalt. Witzigerweise freuen wir uns trotzdem jeden Morgen auf das Frühstück. Ein Gefühl, dass ich noch aus der Bundeswehrzeit kenne. Nie habe ich ein schlechteres Frühstück gehabt, doch trotzdem war es meist ein Fest, das noch Stunden danach geschmeckt hat. Sollte sich ein Psychologe unter unseren Leser befinden, so würde ich ihn bitten, mir das einmal zu analysieren.
Das Abendessen ist dagegen schon aufregender. Am ersten Tag bekamen wir Reis und Bohnen, grobes Schweinehack, das aus allen Teilen des Schweins zu bestehen schien und einen kalten, grauen Muskloß. Der Geschmackstest ergab: Er ist süßlich, stärkehaltig und fasrig. Im Nachhinein erfuhren wir, es sollte sich um Süßkartoffel handeln. Allerdings habe ich die noch nie grau gesehen. Egal. Des Weiteren gibt es: Schwein, Hühnchen und Reis mit Bohnen. Ab und an acht bis zehn Pommes Frites als Beibeilage und Tomatensalat. Genauer Tomatenscheiben mit Essig. Grüne Tomaten wohlbemerkt. Wir essen trotzdem jeden abend brav auf, wahrscheinlich weil wir Hunger haben. Trotzdem haben wir beschlossen, demnächst Frühstück, wie auch Abendessen abzubestellen und uns autark zu ernähren, da wir inzwischen schon mehrere gute und billigere Möglichkeiten entdeckt haben. Unsere ersten Versuche der Selbstversorgung sind jedoch kläglich gescheitert. Wir haben noch zu europäisch gedacht und fertig verpacktes gesucht. Man muss dafür wissen, dass es in den Läden, in denen man in Pesos einkaufen kann, weder viele Konserven noch andere Snacks, wie Chips, Kekse, Cracker und sonstiges gibt. Es wird meist nur das verkauft, was selbst zubereitet wurde und alle fertigen Sachen werden teuer importiert. So haben wir uns neben unserer ersten Flasche Havana Club auch zwei Dosen Würstchen und eine Büchse Frühstücksfleisch gekauft. Die Würstchen (1.30 CUC) waren eine geschmacksneutrale, geräucherte Fleischmasse ohne Darm dafür aber mit kleinen harten Stückchen drin. Sie wurden aus Brasilien exportiert und in Holland hergestellt. Wir haben keine der beiden Dosen ganz aufgegessen, weil auch wir irgendwo geschmackliche Grenzen kennen. Die Dose Frühstücksfleisch der Marke Lupack, ebenfalls aus Holland, steht noch ungeöffnet rum. Wir haben uns geschworen, sie für schlechte Zeiten aufzuheben.
Heute waren wir unter fachkundiger Anleitung von Jesús an einem Obst- und Gemüsestand einkaufen. Es gab kleine Bananen, Süßkartoffeln, Gurken, Kürbis, Guaven und Ananas. Wir haben uns für zehn Bananen (5 Pesos), sechs Guaven (7 Pesos) und eine Ananas (25 Pesos) entschieden. Unser gesamter Einkauf betrug somit 1,50 CUC. Die Guaven sind lecker und vitaminreich (16 verschiedene Vitamine, wie uns Jesús sagte. Ich wusste nicht, dass es soviele Vitmaine überhaupt gibt), die Bananen klein, aber süß und die mit Abstand besten Bananen, die ich je gegessen habe und die Ananas heben wir uns für den morgigen Strandbesuch auf. Wenn man für alles offen ist und rumprobiert, kann man sich relativ gut versorgen.

Alles, nichts und zweidimensionale Frösche.

Es ist witzig. Eigentlich gibt es hier alles, man muss nur die richtigen Leuten kennen und an den richtigen Schnüren ziehen, dann bewegt sich eine große Aparatur und gibt dem Schatzsucher ihr Geheimnis preis. Aber erst einmal zum Überblick. Wir sind nun seit gut acht Tagen in Kuba. Noch immer haben wir es nicht realisiert. Es ist noch nicht einmal wie Urlaub, es ist eher wie ein warmes Mittweida, nur dass man beschaut wird, als wäre man ein Außerirdischer. Das ist wirklich eines der wenigen Dinge, die ein wenig nervig sind. Weiß = Tourist, Tourist = Geld, Geld = andere Welt, andere Welt = schlecht. Aber gut damit muss man sich momentan noch abfinden. Unsere allgemeine Versorgungslage lässt sich mit “gut” beschreiben. Wir haben uns inzwischen soweit herumgefragt, dass wir wissen, wo es alles zu vernünftigen Preisen gibt, wir haben unsere Restaurants gefunden und haben uns arrangiert. Um dir mal eine Relation zu geben. Gestern waren wir mit einem Bekannten von der Uni essen. In einer Pizzeria. Auf der Karte gab es vier verschiedene Spaghettigerichte und fünf verschiedene Pizzas. Eins der Spaghettigerichte gab es nicht, ebenso zwei der Pizzas. Doch das ist normal hier. Gut die Pizzas waren nicht mir den deutschen Pizzas zu vergleichen. Ca. 20 Zentimeter Durchmesser, dicker luftiger Hefeteig, Tomatensauce und Käse. Vielleicht noch Schinken oder Huhn. Das wars. Die Spaghetti hier liegen qualitativ unter denen der Mensa. Das witzige ist wiederum, sie schmecken uns klasse. Es war ein richtiger Genuss. Die Preise sind lächerlich. Wir haben gestern für drei Vorspeisen, drei Hauptgerichte und sechs Desserts (die Menge der einzelnen Sachen ist um einiges kleiner als in Deutschland, siehe die Größe der Pizza) 1,50 Euro (umgerechnet) bezahlt. Die 35 Pesos entsprechen jedoch ca. Einem Zwölftel des Monatslohns eines Kubaners. Ein Kubaner kann ein solches Restaurant somit maximal einmal in zwei Monaten besuchen. Das ist die Sache, die uns uns schlecht fühlen lässt. Wenn wir mal eben 20 CUC (Euro, Dollar, alles derselbe Kurs) tauschen haben wir das Gehalt eines Spitzenverdieners in der Tasche. Wir fühlen uns zwangsweise wie die arroganten Schnösel, die hier auf den Putz hauen, aber was sollen wir machen. Wir leben hier in zwei Welten. Auf der einen Seite werden wir als Touristen angesehen, haben aber bei weitem nicht das Geld, wie die Touristen. Beispielsweise kostet eine Taxifahrt von Holguín nach Guardalavaca an den Strand 40 CUC. Für eine Touristenfamilie, die nur zwei Wochen in Kuba bleibt ein Klacks. Für uns ist es soviel Geld, dass wir damit den ganzen Monat jeden Abend in Holguin essen gehen könnten. (Bitte versteht “Essen gehen” nicht falsch. Es handelt sich hier um im deutschen Sinne Spelunken. Die meisten führen vier Gerichte auf der Karte: Brathuhn, Geräuchertes Huhn, Schweinesteak und zusätzlich Reis und Bohnen. Eine Portion kostet ca. 0,70 CUC, doch Qualität und Menge ist nicht mit Deutschland vergleichbar. Trotzdem ist es toll hier essen zu gehen. Es ist als würdest du irgendwo in den 50ern Essen gehen. Alles etwas antiquiert, die Bedienung unfreundlich (zu Unbekannten) und das Ambiente einfach klassisch.) Auf der anderen Seite sind wir Kubaner, dürfen jedoch kubanische Verkehrsmittel beispielsweise nicht legal benutzen. Wir reisen also permanent illegal, irgendwie improvisiert. Am Mittwoch sind wir nach Guardalavaca gefahren. Mit einem LKW. Er hat auf der Ladefläche eine improvisierte Passagierkabine und zuckelt mit gemütlichen 60 Sachen übers Land. Das Hinterland ist wie schon beschrieben unglaublich. Also, wer auf die Schönheit der Natur steht, für den ist Kuba ein absolutes Muss. Ganze Palmenwälder auf Halbkugelförmigen Hügeln, die im Morgennebel vor sich hinschwitzen.
Natürlich haben auch wir schon unsere touristischen schlechten Erfahrungen gemacht und herausgefunden, dass nicht alle Kubaner nur das Beste für einen wollen. Manche haben es auch einfach nur auf Profit angelegt. Holguín ist absolut keine Touristenstadt. Wir haben auf unseren täglichen Streifzügen bisher ca. 8 andere Weiße gesehen. Dementsprechend kann man sich vorstellen, wie wir hier auffallen. Dementsprechend kann man sich gleichfalls vorstellen, dass sich hier fast alle Zigarren-, Rum-, Souvenirverkäufer und Geldwechsler auf uns konzentrieren. Abends im Park eher lästig, aber auch inzwischen schon wieder recht lustig. Wir haben jetzte eine Masche entwickelt, bei der wir uns als Polen ausgeben und erklären, dass wir weder Englisch noch Spanisch sprechen. Das treibt die Herren Touristenfänger zum Wahnsinn. Und wir müssen uns arg zusammenreißen, bei unserem erfunden Polnisch nicht in Lachen auszubrechen. Unsere Wohnsituation ist immer noch recht gespannt. Das Wasser ist nur morgens eine Stunde, mittags eine Stunde und abends zwischen zehn und zwölf da. Wir haben also Vorräte angelegt. Außerdem haben wir inzwischen regen Kontakt mit der kubanischen Fauna. Als erster Vertreter des Willkommenskommittees begrüßte uns eine Eidechse im Speisesaal, die ihren Kopf hinter der Theke, auf der das Wassergefäß steht hervorstreckte. Die zweiten Gäste blieben nur kurz in unserer kleinen Wohnung. Es waren zwei Frösche. Wir bemerkten ihre Anwesenheit erst, als sie sozusagen schon wieder abgereist waren. Sie hatten die wenig schlaue Idee, sich in den Türrahmen unserer Balkontür zu setzen. Wer schaut schon in den Türrahmen seiner Balkontür, wenn er sie schließt....? Wir entdeckten ihre nun zweidimensionale Anwesenheit einen Tag später. Moskitos sind unsere ständigen Begleiter. Meist wachen wir morgens auf und bemerken, dass in unseren Moskitonetzen mehrere dieser Zeitgenossen sitzen. Auf dem Hinweg passten sie noch durch die Maschen. Auf dem Rückweg hatten sie ich jedoch schon so fett gesoffen, dass dieser Weg eine Einbahnstraße war. War haben schon überlegt, ob wir die Netze nicht als Schutz, sondern als Jagdwaffe nutzen sollten. Wir werden nun jeden abend unser Zimmer mit den Netzen durchstreifen, wie die Fischfangflotten den Nordantlantik. Seit zwei Tagen haben wir nun einen dreidimensionalen Frosch zu Gast, der sich langsam zur Problemkröte entwickelt. Er taucht aus dem Nichts auf und klebt oft mit seinen 15 Zentimetern Durchmessern an den unmöglichsten Orten. Gestern an der Klotür. Man kann sich das erschrockene Gesicht bei der Entdeckung vorstellen. Meines, wie auch das des Frosches. Wir haben beide nicht miteinander gerechnet. Allerdings verschwindet er meist in den Morgenstunden, sodass er oft nur hier übernachtet. Wir wissen allerdings noch nicht genau, wohin. Wir werden das mal beobachten. Heute hatte Rüd einen Amphibienfreund in seinem Bett. Eine kleine Eidechse steckte das Köpfchen aus seinem Schlafsack. Er lag allerdings nicht mit drin. Wir haben sie Lizzy getauft. Sie ist leider gerade verschwunden, aber ich denke, wir werden sie wieder sehen.
Kurzum: Uns geht es sehr gut hier, es ist oft echt lustig und unser Spanisch macht große Fortschritte.

Jesùs

Ein Name wie eine Aussage. Jesús ist wie schon mehrfach erwähnt unsere Kontaktperson (Ich wehre mich gegen den Begriff Betreuer. Sollte ich ihn vorher schon einmal selbst benutzt haben, so sehe man mir meine Fahrlässigkeit nach.). Ich bin schon vor einigen Monaten mit ihm zum ersten Mal in Kontakt getreten, um den ganzen Trip soweit wie möglich zu planen. Schon damals musste ich über seinen Namen schmunzeln. Inzwischen tue ich das nicht mehr. Ich könnte mir keinen besseren menschlichen Jesús vorstellen. Er ist unser Schutzengel und hilft wo auch immer er kann. Als wir den ersten Tag nach ihm gesucht haben, wurde uns von einer der wenigen, englischsprechenden Personen gesagt: “Jesús is coming soon.” Unser Tag des jüngsten Gerichtes ist allerdings bisher noch nicht eingetreten. In Deutschland war ich von seiner: “Kommt erstmal hier her, wir regeln dann alles hier”-Einstellung ein wenig genervt. Ich kannte diese Aussagen von diversen anderen Südländern und auch einigen Deutschen und wusste, dass dann meist gar nichts passiert. Ich hatte mich wie so oft geirrt. Seit wir in Kuba sind geht wirklich fast alles von allein. Bis auf einen Duschkopf für unsere Dusche hat er bisher alles gemanaged. Er hat uns vom Flughafen abgeholt und ist uns hier bereits ein guter Freund geworden. Jesús ist äußerlich genauso, wie man sich einen Jesus nicht vorstellen würde: 52 Jahre alt, 1,80 groß, stattliches Wohlstandsbäuchlein, dunkelhaarig und kubanisch braun. Jesús ist hier der Chef der geisteswissenschaftlichen Fakultät, Professor für Sprachen und Chef des Büros für internationale Angelegenheiten. Deshalb brauche ich wahrscheinlich nicht zu sagen, dass dieser Typ was auf dem Kasten hat. Wir diskutieren oft und gern und er ist genauso wissbegierig über Deutschland, wie ich über Kuba. Ein großer Punkt, der ihn mir sehr nahe bringt ist, dass er Opel liebt. Die beste Automarke für ihn sagt er. Und das bevor er wusste, dass ich einen fahre. Was sag ich: fahren! Zelebriere, lebe und liebe. Gleich in der ersten Woche lud er uns zu sich nach Hause ein und wir haben bei den Jesúses gegessen. Seine Frau Carre ist eine sehr gute Köchin und wir haben schon abgemacht, dass wir beide uns, sobald es die Sprache zulässt, einmal austauschen werden. Mit 800 Pesos ist Jesus in seiner Heimat Spitzenverdiener. Dieses Geld reicht bei sparsamer Lebensweise ca. Bis zum 15. des Monates. Wie sie den Rest der Zeit um die Runden kommen? “Keine Ahnung, das zeigt sich immer erst im Rest des Monats.” Recht hat er. Jesús Wohnung liegt in einem Stadtteil von Holguín, der keine asphaltierten Straßen hat. Der Belag besteht aus einer Mischung aus Siliziumdioxid, Kohlenwasserstoffen und Spuren diverser Metalle und Salze. Kurz gesagt: Dreck. Er wohnt im ersten Stock, das Haus hat aber auch neben dem Erdgeschoss nur einen weiteren Stock. Die Außentreppe, die sich in einem Viertelkreis um die Hausecke schlingt hat kein Geländer. Ich weiß nicht wie viele dort schon ihren Havana Club bereut haben. Irgendwann will er eins anbringen. Nur zur Zeit gibt es keine Geländer zu besorgen.
Ja das ist Jesús. Wir sind froh solch einen Kubaner zum Ansprechpartner zu haben.
Ein besonders schöner Satz, den er oft zu sagen pflegt, wenn wir ihn fragen ob er Zeit hat: My time is free. Und er hat recht. Zeit ist wirklich verdammt nochmal frei. Sie gehört keinem und keiner kann über sie bestimmen. Zeit ist wohl das freieste Gut, was es geben kann, denn sie gehorcht niemandem. Also kann man sie auch wunderbar einmal Zeit sein lassen. Das bedeutet keineswegs, dass er faul ist. Er teilt sich nur die Zeit so ein, wie er sie braucht, und gibt sie für das aus, was ihm wichtig ist. Beneidenswert.

Der Flug

Nichtsdestotrotz kamen wir gut in Frankfurt an. Unsere Fahrradkartons sprengten jedoch jeden Gepäckwagenrahmen. Seitlich aufgelegt ragten sie links und rechts ca. 60 cm über. Das war am Aufzug noch kein Problem, bei der Rolltreppe nach DIN-Maßen war jedoch Schluss. Wir stellten sie aufrecht, was jedoch den nachteil hatte, dass ich hinter 2 Metern Fahrradkarton meine Fahrstrecke nicht mehr sah. Ich schwang also meinen Kopf von links nach rechts, immer an den Paketen vorbei, wie das Pedel einer Kuckucksuhr. Der Check-In lief unspektakulär. Als wir zu unserem Gate liefen sahen wir, dass bei unserer Maschine das Triebwerk noch geöffnet war. Nichts ungewöhnliches.
14:45 Uhr: Wir bestellten uns ein Bier an der letzten Bar auf deutschen Boden. Wir zahlten sportliche 4,20 für eine 0,33 l Flasche Bitburger. Der Start war für 15.20 Uhr angesetzt.
15.15 Uhr: Wir entschieden uns, den Abflugbereich zu betreten.
15.16 Uhr: Eine Durchsage erschallte: “Der Abflug von Condor DE3196 verschiebt sich wegen technischer Probleme um eine Stunde.” Nach dieser Nachricht gönnten wir uns ein Bier.
15. 45 Uhr: Aus einem wurden zwei, da das Triebwerk nach einer Stunde noch immer offen stand. Um besagtes Triebwerk hatten sich sechs Mechaniker versammelt. Zwei hatten die Hände in den Taschen, zwei zuckten mit den Schultern und zwei schüttelten den Kopf. Ein beruhigendes Zeichen, wenn man einen elfstündigen Flug vor sich hat.
16.20 Uhr: Ich merke, wie sehr ich rauchfeie Flughäfen hasse.
16.30 Uhr: Das Triebwerk ist noch offen. Inzwischen stehen nur noch zwei Mann um das Triebwerk herum plus einer auf einer Leiter, der wie ein Gynäkologe bis zur Körperhälfte im Triebwerk steckt. Einer der beiden Bodenständigen hält die Leiter. Der Gynäkologe der Gruppe sieht aus als wöllte er sagen: “Die 8er Muffe an der Schwipp-Schwapp-Pumpe ist porös. Die muss raus. Ausserdem ist die Kreiselschraube locker, die muss gewechselt werden.”
16.50 Uhr: Ganz unerwartet beginnt das Boarding. Die Stimmung der restlichen Gäste nähert sich dem Gefrierpunkt. Wir sehen aufgrund diverser Getränke die Situation recht entspannt.
17.05 Uhr: Wir sitzen an unserem Platz. Über die Beinfreiheit kann man nicht meckern, es gibt nämlich keine. Ich sitze direkt hinter den Tragflächen am Fenster, Rüd rechts neben mir. Folglich sitze ich in Flugrichtung links. In Summe so nahe wie nur möglich an dem Triebwerk, das bis vor ein paar Minuten noch offen stand. Ich betrachte meine Situation mit dem biergegebenen Pragmatismus: Sollte das Ding hochgehen erfahre ich es noch vor dem Piloten und bin durch umherfliegende Trümmerteile mit einem schnellen Tod gesegnet, während Rüd neben mir schrecklich verstümmelt und schreiend in die Tiefe stürzen würde.
17.06 Uhr: Der Pilot entschuldigt sich standesgemäß für die Verspätung und teilt uns im gleichen Atemzug mit, dass einer der drei Bordcomputer Spirenzchen macht und sich deswegen der Abflug um noch ein paar Minuten verzögert. Normalerweise würde das Problem durch einen Reset des Computers immer sofort behoben. Während der paar Minuten Wartezeit erklärt uns der Pilot den Grund für die Verzögerung: Ein Ventil am linken Triebwerk war undicht. Es gab einen minimalen Ölverlust.
Es gibt drei Dinge die man nie in seinem Leben hören möchte:
Platz 3: Freundin: “Schatz, ich glaube, ich habe die Pille vergessen.”
Platz 2: Hausarzt: “Also an Ihrer Stelle würde ich mir keine Vorratspackungen mehr kaufen. Wer weiß, ob Sie die noch aufbrauchen.”
Platz 1: Pilot vor einer Atlantiküberquerung:
“Wir hatten einen miiiinimalen Ölverlust am Triebwerk. Wir haben das Problem gestern festgestellt und eine Dichtung getauscht. Jetzt sollte alles okay sein.”
Bei einem 179 Tonnen schweren Gebilde, das in 10.000 Metern Höhe mit einer Geschwindigkeit von 900 km/h fliegt und aus 15.000 Einzelteilen besteht, die alle vom billigsten Anbieter sind, möchte man mehr hören als ein: “Jetzt sollte alles okay sein.”
17.25: Wir rollen zur Startbahn. Es geht endlich los. Nein. Der Pilot teilt uns entrüstet mit, dass der Bordcomputer noch immer spinnt und getauscht werden muss. Der Start wird sich noch ein Weilchen verzörgern. Aufgebrachtes Schweigen. Leises Protestieren. Die deutsche Form des Sreiks. Die tolerante ältere Nachbarin vom Sitzplatz 33F gibt zu Bedenken: “Nee, das kann doch wohl nicht wahr sein. Heißt das etwa, dass die Toilette jetzt auch nicht funktioniert? Soll ich mir da jetzt meine Einwegwindeln anziehen oder was?” Ein kluger Einwand, den es zu Bedenken und abzuwägen gilt. Besonders in ihrem Falle. Sonderlich kontinent sieht Frau Windel nämlich nicht mehr aus. Der Tausch des Bordcomputers geht erstaunlich schnell. Wir vermuten, dass der Tausch darin bestand, den alten Bordcomuter auszubauen und sich auf die Verlässlichkeit zweier fernöstlicher Bordrechner zu berufen.
18.00 Uhr: Wir starten mit zweieinhalbstündiger Verspätung.
ca. 20 Uhr: Die Bordcrew lässt verlauten, dass sie eine kleine Entschuldigung vorbereitet hat. Ich denke mir: “Ah, die rechnen also mit sowas.” Toll. Man serviere jetzt einen Cocktail auf Wodka-, Gin-, oder Camparibasis. Natürlich durchschauen wir sofort den perfiden Plan der hinter diesem verlockenden Angebot steckt. Die Bordcrew weiß schon von dem bevorstehenden Absturz und möchte uns von innen mit Alkohol tränken, damit wir schneller verbrennen und keine Beweismittel zurückbleiben. Wir nehmen umgehend einen Wodka-Orange ein. Um es vorweg zunehmen: Wir werden uns mit weiteren zwei Bieren vergnügen. Nur für den Fall der Fälle.
21 Uhr: Das Essen wird serviert. Es gibt Hühnerbrust mit Nudeln. Wie immer ist das Flugzeugessen hervorragend. Ich lecke die Aluschüssel aus. Mit dem Bewusstsein, dass man nie weiß, was einen in Kuba erwartet. Mit der Ankündigung des Essens wird parallel und ganz beiläufig erwähnt, dass sich die Passagiere in der Condor-Comfort-Class über Languste mit schwarzen Bandnudeln und grünem Spargel freuen dürfen.
21.43 Uhr: Mein dritter Tomatensaft. Ich liebe Tomatensaft im Flugzeug. Komischerweise nur da. Das muss an der Luft liegen. Oder dem Druckunterschied. Oder dem Tomatensaft.
21.46 Uhr: Als Bordfilm wird „Ein Quantum Trost“ gezeigt. Ich bin gedanklich woanders und komme nicht hinterher.
23.00 Uhr: Das linke Triebwerk arbeitet einwandfrei.
01:00 Uhr: Ein Snack wird serviert. Laugenbrötchen mit Feinkostsalat. Wieder stürze ich mich darauf und wieder schmeckt es köstlich.
01:23 Uhr: Der zweite Bordfilm beginnt: „Darjeeling Company“ oder so ähnlich. Ein Film über drei Brüder die irgendwelche Probleme haben und auf Selbstfindungstrip nach Indien gehen. Naja...
01:50 Uhr: Kurz nach den Azoren bekomme ich ein wenig Hunger, kann allerdings meine Snickers nicht finden und beschließe ein wenig zu schlafen.
02:00 Uhr: Die Durchsage über die Zeitverschiebung wird getätigt. Es sind 6 Stunden Verschiebung. Das bekommt die Stewardess allerdings erst beim zweiten Anlauf hin, beim ersten sind es noch 5 Stunden. Naja kann ja mal passieren. Ab jetzt geht die Zeitrechnung kubanisch weiter.
21:00 Uhr: Laut Pilot erreichen wir gerade die Karibik. Ich schaue nach unten, mit besorgtem Blick an meinem Lieblingstriebwerk vorbei und sehe: Schwarz.
22:10 Uhr: Wir landen. Es ist witzig, wie dunkel eine Insel nachts sein kann.Bis auf die Lichter des Flughafens sieht man nicht viel. Gut, das wird dem Piloten die Orientierung erleichtern.
Als wir aus dem Flugzeug aussteigen erwarten uns angenehm wonnige 21 Grad und ein Schriftzug an der Flughafenmauer: „Socialismo o Muerte“ (Muerte = Tod). Kuba scheint uns recht tolerant zu empfangen. Über die Problemlosigkeit und Lockerheit der Einreise bin ich mehr als überrascht. Es dauert nicht lange, da haben wir unser Visum und sind nun offizielle Kuba-Touristen. Am Gepäckband kommen 4 unserer 5 Gepäckstücke relativ zügig. Das letzte lässt auf sich warten. Als ich nachfrage, wird mir mitgeteilt, dass mein Rucksack zur Zollkontrolle muss. So gehe ich mit zwei weiteren Glückspilzen zur Kontrolle. Die Zollbeamten sind sehr nett und ich muss nicht den ganzen rucksack auspacken. Sie interessieren sich für meine Schnorchelausrüstung und besonders für meinen 50-prozentigen Blutwurz. Ich biete Ihnen einen Schluck an, doch sie lehnen lachend ab. Wir plaudern ein wenig und dann bin ich entlassen. Draussen wartet schon Jesús, unser Kontaktmann. Alles läuft problemlos. Wir erreichen die Uni um 01: Uhr Ortszeit.

Die Anreise zum Flughafen

Wie ihr sicherlich mitbekommen habt ist keine Maschine der Condor in den letzten Tagen abgestürzt, was heißt, wir sind gut in Kuba angekommen. Wovon wir allerdings zu Beginn nicht ausgingen. Mehr später. Zuallererst hat alles mit Gepäck und Zoll etc. gut funktioniert. Allerdings hatten wir das Gefühl dass nur noch die Kameras fehlten und wir uns dann in einer Auswanderershow befunden hätten. Unsere Fuhre sah auf den beiden Gepäckwagen doch recht abenteuerlich aus. Ein Wunder, dass das alles in den kleinen C4 Picasso hineingepasst hat. Er hat uns gut nach Frankfurt gebracht. Allerdings handelt es sich bei diesem Auto um ein Gefährt, dass man sich nur im Notfall kaufen sollte. Das Lenkrad hat mehr Knöpfe als mein CASIO-Grafikrechner, kann jedoch weder eine Wurzel ziehen, noch eine Parabel berechnen. Glaubt mir, ich habe es versucht. Das Display (!) mit der Geschwindigkeitsanzeige (!) befindet sich in der Mitte, direkt über dem Safthalter. Eigentlich clever gemacht. So kann der extravagante suburbane Ethiklehrer, wahrscheinlich die Hauptzielgruppe für dieses Vehikel, direkt nachdem er seinen frischgepressten Orangensaft - aus vollkommen ökologischen und ausbeutungsfreien Anbau – aus dem Safthalter geschält hat bei der obligatorischen Augenbewegung nach oben durch die Windschutzscheibe, die der kahlen Stirnpartie eines alten Mannes ähnelt, seine hinter dicken Brillengläsern versteckten Äuglein über die Geschwindigkeitsanzeige gleiten lassen. Dort erkennt er, dass er nervenzerreißende 80 Stundenkilometer fährt. So ist er das Hauptverhütungsmittel für alle Verkehrsunfälle mit tödlichem Ausgang. Die einzige Gefahr bei dieser Fahrweise besteht darin, dass das Fahrzeug aus Langeweile seitlich umfällt.

Sonntag, 22. März 2009

Erstes Lebenszeichen aus Kuba

Es geht uns gut.
Man gewöhnt sich an die Lebensumstände, die jedem handtuchreservierenden, buffetverwöhnten, sonnenverbrannten Pauschaltouristen wahrscheinlich sofort jede Reisekostenrückerstattungsklage in den Augen rotieren lassen würde.

Das Zimmer:

Wir haben ein Doppelzimmer mit vier Betten. Der Raum ist ca. sechs mal drei Metter groß. Die Tür befindet sich an einer der langen Seiten, während die kurzen beide aus Fenstern bestehen. Nun Fenster ist vielleicht ein wenig viel gesagt, denn es sind keine Fenster im eigentlichen Sinne. Sie haben keine Scheiben. Es sind nur Fensterläden mit beweglichen Lamellen, die per Hebel so gestellt werden können, dass das Fenster offen ist oder eben geschlossen. Es ist ein wenig vorsintflutlich anmutend, aber sie erfüllen ihren Zweck. Sie machen dunkel und halten (hoffe ich) den Regen ab. Leider halten sie weder Moskitos noch das Geräusch lärmender Kubaner ab. Wir haben uns an beides gewöhnt.
Ich habe ein spezielles Moskito mit dem ich richtiggehend Freundschaft geschlossen habe. Ich führe es stets bei mir in einer kleinen Tasche. Sollte mir etwas zustoßen, kann ich es problemlos als Blutkonserve verwenden.

Zurück zum Raum:
Er ist einem blassfahlen Gelb gestrichen und mit Steinzeugfließen Marke FDGB-Ferienheim Ostsee ausgestattet. Alles ist etwas schmuddelig. Was soll ich sagen, ich hatte Schlimmeres befürchtet und Besseres erhofft. Also hat es so ziemlich genau das getroffen, was wir erwarteten. Unsere Betten sind Kästen, die eine Spanplatte statt eines Lattenrostes haben. Man schläft trotzdem erstaunlich gut. Wir haben drei Tische, zwei Ventilatoren, die wir jedoch nicht brauchen, da wir ja wie gesagt keine Fenster haben und deswegen sowieso stetiger Durchzug herrscht. Final ist ein Regal angebracht, an dessen Unterseite eine Kleiderstange montiert ist, an der wir unsere Sachen notdürftig angeknüpft haben. In Summe ist es eine Unterkunft, die alle menschlichen Bedürfnisse mehr als befriedigt.

So ausreichend das Zimmer ist, so wenig ausreichend ist allerdings das Bad. Glücklicherweise haben wir ein eigenes Bad, was uns jedoch nur bedingt etwas nützt. Unter der Woche ist mit fließendem Wasser nicht zu rechnen. Natürlich gibt es täglich fließendes Wasser, man weiß aber nie genau, wann dieser Zeitpunkt sein wird. Dementsprechend wird jeder Toilettengang zum Abenteuer. Russisches Roulette am Spülkasten. Wir wissen jedoch nicht ob es eine Regelung dafür gibt. Vielleicht steckt ja ein System hinter dieser Rationierung. Wenn wir das herausgefunden haben, können wir auch unsere Hygiene darauf einstellen. Allerdings bestünde dann noch das Problem, dass die Austattung ein wenig dürftig ist. Die Waschbecken und Toilettenschüsseln sind aus der Zeit der späten 70er und nur dürftig gepflegt wurden. Eine kleine Duschzelle gibt es, allerdings fehlt der Duschkopf. So wird das Duschen zu einem Abspritzen mit dem Gartenschlauch. Obwohl spritzen vielleicht der falsche Ausdruck ist, da der Wasserdruck eher einem erschöpften Keuchen ähnelt, denn einem kraftvollen Pusten. So lassen wir ein wenig Wasser über unseren Körper rinnen und versuchen diesen Akt in die Mittagsstunden zu verlegen, in denen es am heißesten ist, da es nur kaltes Wasser gibt.

Wir härten uns also mental wie auch körperlich ab. Wir fahren viel Fahrrad, laufen viel, steigen Treppen und merken, wie schlecht wir in Form sind. Die Hitze ist ein gnadenloser Prüfer, was das angeht. Sie legt dir jegliche konditionelle Schwäche schamlos offen. Aber es ist okay. Es ist eine viel intensivere Art zu reisen, sich fortzubewegen. Wobei es auch eine sehr eingeschworene Gemeinschaft ist. Kaum jemand kann sich hier ein Auto leisten, geschweige denn den Sprit bezahlen. So spielt sich alles auf Fahrrädern oder den weit verbreiteten Pferdekutschen ab. Ein System, das blind abläuft. Problemlos unkompliziert und funktionierend. Irgendwie. Da sind wir auch schon bei dem nächsten Punkt.

Kuba.
Kuba ist anders. Kuba ist archaisch, Kuba ist irrational, Kuba ist arm, Kuba ist reich, Kuba ist so ziemlich alles was Deutschland nicht ist, Kuba ist so ziemlich alles, was (Teil-)Deutschland einmal war. Kuba ist schmutzig, Kuba ist heiß, Kuba ist heruntergekommen, Kuba ist wunderschön. Kuba ist das, was passieren würde, wenn es auf der Welt keine Regeln gäbe und trotzdem alles reglementiert wäre. Kuba ist einfach faszinierend. Kuba ist ein Gegensatz mit System. Ein einziger Gegensatz, der im karibischen Meer vor sich hin schlummert und den Traum einer besseren Welt träumt. Einer gerechteren Welt. Und dabei merkt es nicht, wie ungerecht es ist. Wie es seine Menschen vernachlässigt, aber ebenso wie dieser Mythos, dieser Traum, die Menschen überleben lässt. Kuba ist eine Mutter, die ihren Kindern die Brust gibt, aber kaum Milch hat. Um das auszugleichen drückt sie ihre Kinder wonnig an sich heran und merkt dabei gar nicht, dass sie sie fast erdrückt. Kuba ist ein Anachronismus. Ein Land gefangen in einem Traum, einem Traum, der vor fünfzig Jahren begann und langsam dämmert, aber noch nicht weiß, ob er sich noch einmal rumdrehen soll und weitere fünfzig Jahre schlafen möchte oder doch lieber aufsteht. Würde man mich nach meiner Meinung fragen: Ich bin ein Langschläfer.

Die Situation ist nicht so extrem wie immer dargestellt.
Es gibt nicht mehr Menschen, die hungern müssen als in Deutschland, es stirbt niemand, weil er keine medizinische Versorgung erhält, die Lebenserwartung beträgt 76 Jahre und die Kubaner scheinen zufrieden damit. Sie sind luchares, Kämpfer, schon immer gewesen und auch jetzt. Die Versorgung mit Lebensmitteln ist, soweit ich es jetzt überblicken kann, einigermaßen ausreichend. Die Menschen müssen dafür kämpfen. Sie hören, wann es wo etwas günstig gibt, sie stellen sich an, suchen sich alles zusammen. Die Preise sind jedoch horrend hoch. Selbst in Pesoläden. Ein kubanisches Gehalt reicht für das absolut Nötigste. Manchmal jedoch nur bis zum 15. eines Monats. Der Durchschnittskubaner verdient 500 Pesos monatlich. Das entspricht 20 Euro. Ein Kilo Kartoffeln kostet ungefähr 10 Pesos. Das 50stel eines Monatsgehalts. Auf Deutschland heruntergebrochen bedeutet das bei einem Verdienst von 1500 Euro netto 30 Euro für ein Kilo Kartoffeln. Fleisch ist noch teurer. Aber die Kubaner sind luchares. Sie finden immer etwas mit dem sie etwas zusätzlich verdienen können.

Um zu überleben.

Die meisten haben auch genug Zeit dafür, schließlich arbeitet ein sehr großer Teil nicht oder nur sehr wenig. Im deutschen Denken sofort faul, ist dieses Handeln aber absolut nachvollziehbar. Wenn man für 40, 50 oder 60 Stunden Arbeit wöchentlich nicht mehr als ein Taschengeld erhält und seit 50 Jahren versprochen bekommt, dass nächstes Jahr alles besser wird, der verliert irgendwann die Lust. Die Versorgungslage ist viiiiiel besser als in der periodo especial, der Zeit nach 1990, als mit der Sowjetunion der wichtigste Handelspartner wegbrach, als die Wirtschaft am Boden war, als die Menschen ihre Kleinkinder mit Zuckerrohrsaft großgzogen haben, um ihnen wenigstens ein bißchen Energie zuzuführen, als sie Orangenschalen als Steaks gegessen haben. Dazu ist heute kein Vergleich. Diejenigen, die harte Währung haben, und davon genug, können sich im CUC-Laden alles kaufen.

Die Regale sind voll.

Es gibt Kekse aus China, Würstchen aus Brasilien, schottischen Whiskey und Beck`s. Eine kleine Flasche Beck`s kostet 1,50 CUC. Das entspricht ca. 35 Pesos (Kurs 1:25). Wieder auf Deutschland heruntergebrochen: ca. 110 euro für eine kleine Flasche Beck`s. Vielleicht lässt sich so die Situation ganz gut erklären. Mehr möchte und kann ich über diese Problematik noch nicht schreiben. Wir haben einfach noch zu wenig Einblick, um mehr als nur zu spekulieren. Aber selbst in diesen fünf Tagen die wir jetzt hier sind haben wir ein sehr tiefes Bild von Kuba. Mal sehen wie oft es noch umgestoßen wird und wieder aufgebaut wird.

Wer den Anfang dieses Berichtes gelesen hat, besonders über unsere Lebensumstände muss sich denken, dass wir hier todunglücklich sind und es uns an allem mangelt. Das ist jedoch keineswegs so. Es ist verdammt schwer zu beschreiben. Wir vermissen manche Menschen aber keineswegs Deutschland. Weder den Luxus fließendes Wasser zu jeder Zeit zu haben, noch ausreichende Essensversorgung, noch den Luxus ein Auto zu haben (mein Auto an sich vermisse ich natürlich. Wer mich kennt, weiß das), noch irgendwelche Annehmlichkeiten wie Fernseher oder sonstige Dinge. Uns hat eine tiefe Zufriedenheit ergriffen. Eine Unbeschwertheit, die in Deutschland nie möglich wäre. Eine lockere Sichtweise auf Dinge, die wenn man sie mal ganz objektiv betrachtet wirklich scheißegal sind. Wie wichtig ist es denn bitte, ob man jeden Tag zur selben Zeit isst. Wie wichtig ist um welche Uhrzeit man jemanden triftt. Hauptsache ist, man trifft ihn. Und wenn es heute nicht klappt, dann morgen übermorgen oder im nächsten Monat. Das ist alles nicht wichtig. Natürlich auf Deutschland nicht projezierbar, weil dafür viel zu viel strukturiert und durchgeplant ist. Ein Einkauf, der in Deutschland vielleicht eine halbe Stunde dauern würde, dauert hier einen halben Tag.

Na und. Warum Zeit sparen. Wir leben jetzt in einem Land voller Momos, die alle gegen die Zeitdiebe kämpfen. Dagegen, alles abzukürzen, nur um Zeit zu haben. Zeit, die man dann wieder in andere sinnfreie Dinge investiert. Natürlich mag das alles jetzt sehr romantisiert klingen und ich bin mir auch sicher, dass wir uns nicht in den Tagen umgekrempelt haben, doch ist es aber so, dass mit dem Betreten kubanischen Bodens plötzlich eine tiefe Freude eintrat.

Ein unbewusstes Lächeln.

Vielleicht nicht immer auf den Lippen. Aber wir lächeln mit unseren Augen, unseren Ohren, den Schultern, dem Bauch, den Knien, den Füßen. Es ist traumhaft, in Kuba zu sein. Nichts ist wirklich leicht und trotzdem ist alles unbeschwert. Es ist jedem zu empfehlen hierher zu kommen. Abseits der All-inclusive Ressorts. Einfach in Kuba zu atmen, zu schmecken, zu fühlen. Man muss sich auf Kuba einlassen. Muss ihm Zeit geben. Muss es herankommen lassen auf ein paar Zentimeter um unter den abgerissenen Kleider seine Schönheit zu erkennen. Ich denke vielmehr ist nicht über unser Befinden zu sagen.

Jetzt zum ganz rationellen Teil:

Der Flug war gut (wenn ich Zeit finde und einen funktionierenden Internetanschluss, werde ich auch noch etwas darüber schreiben. Im Moment muss euch: „Der Flug war gut.“ reichen.) Die Passkontrolle verlief problemlos, die Fahrräder waren heil geblieben, nur ich war einer von drei Glückspilzen, die der Zoll zum ausführlicheren Gespräch bat. Ich hatte meinen Rucksack sicherheitshalber mit Klebeband zugeklebt. Das gefiel Ihnen scheinbar nicht. Ich musste alles auspacken, wir hatten einen sehr netten Plausch, über das, was wir hier in Kuba machen, was wir studieren etc. und dann durfte ich den Flughafen verlassen.

Wer jetzt denkt: Typisch Überwachungsstaat – Blödsinn.

Der Zoll in Deutschland hätte ähnlich reagiert und hätte dazu noch die bitter trübe Miene des Beamtentums aufgesetzt und wäre weitaus pingeliger gewesen. Am Flughafen wartete bereits Jesus (unsere Kontaktperson und unser „Betreuer“) auf uns und wir fuhren mit zwei Taxis zur Uni. Eins voll Gepäck, eins voll Olli und Rüd. Jesus ist Anfang 50 schätze ich, gut genährt und einer der herzlichsten und entspanntesten Menschen, die ich je getroffen habe. Ein Professor der Sprachkunde, Doktortitel, Dekan seiner Fakultät, hochintelligent und fürsorglich und nebenbei mit 800 Pesos (35 euro) kubanischer Spitzenverdiener.

Über Zimmer und weiteres habe ich schon gesprochen.

Die Uni hat ca. 1000 Studenten und ist in einem, für kubanische Verhältnisse, guten Zustand. Holguin ist groß, verschlafen und wunderschön. Es gibt kein Haus, das renoviert ist, kaum eine Straße, die in gutem Zustand ist, kein Auto, das einigermaßen modern ist (staatliche Taxis ausgenommen). Es ist so authentisch, wie Kuba nur sein kann. Die Slum-Gebiete sind arm, keine Straßen, nur Staubpisten, kaum befestigte Häuser, meist Blech- oder Holzhütten (in den Slumgebieten) und so weiter...

Wir beginnen Montag den Sprachkurs, haben Mittwoch frei. Das ist auch gut so, den neben dem Genuss des kubanischen Lebens haben wir eine weitere Genialität entdeckt. Guardalavaca. Stellt euch Bilder im Reiseprospekt von karibischen Stränden vor, multipliziert sie mal tausend und ihr seid noch nicht einmal nah dran. Guardalavaca ist der Topstrand von Holguín (der Provinz Holguín). Wir waren da am Samstag.
Haben den Bus genommen, der lächerliche 3 Pesos kostet. Normalerweise. Ausländer bezahlen aber jedesmal andere Preise. So haben wir ca. 6 Euro bezahlt für Hin und Rückfahrt. Lächerliche 6 Euro.
Der Bus fuhr kurz vor sieben Uhr in der Früh ab. Wir fuhren ca. eine stunde durch das Hinterland, welches in der Morgendämmerung traumhaft ist. Stellt euch vor, wie Nebelschwaden im Tal, das von grünen Hügeln, die wie riesige Heuhaufen aussehen begrenzt wird, aufsteigen, von der fahlen Morgensonne nur angehaucht und so im Horizont verschwinden.
Surreal.

Wir kamen am Strand an und es war zumindest für mich anfangs eine Enttäuschung. Der Himmel war bewölkt, und die fehlende Sonne die das Hinterland so reizvoll darstellte war am Meer eher ernüchternd. Das Meer war dunkel, der Sand noch nicht weiß, und es war schwülwarm. Doch vom großen Strand, dem Playa Esmaralda, der ca. 2 Kilometer lang ist, sah man in der Begrenzung der Bucht, die aus dunklen ausgewaschenen Kalksteinen besteht, einen winzigen anderen Strand. Wir machten uns auf den Weg, diesen zu erkunden. Über einen notdürftigen Fußweg durch einen Nationalpark schlugen wir uns durch Gestrüpp und Sträucher. Wir erreichten den vorher erblickten Strand nicht. Was überhaupt nicht tragisch war, denn wir erreichten einen anderen. Ca. 20 Meter lang, absolut abgelegen. Nur in meinen Träumen habe ich vorher einen solchen Ort gesehen. Weißer Sand, türkises Wasser, glasklar. Die Wellen schwappten uns bis zu den Füßen und die Sonne stieg langsam über den Wald des besagten Nationalparks, der hinter uns lag. Wir faulenzten zwei Stunden dort, badeten, wurden von der Polizei kontrolliert und beschlossen später den anderen Strand zu besuchen. Nun war auch aus dem anfangs ernüchternden großen Strand ein karibisches Kleinod geworden.

Weißer Sand, smaragdfarbenes Wasser, die unerbittliche Mittagssonne und Touristen mit blauen All-Inclusive-Bändchen. In unserer Trekking-Ausrüstung mit Tourenrucksack und ohne Bändchen wirkten wir wie Außerirdische. Aber wir genossen diesen Status zweifellos. Wir entschlossen uns gleichzeitig in zwei Wochen dort in unserem Zelt das Wochenende zu verbringen. Zelten ist am Strand erlaubt und der Sonnenaufgang über dem Ostmeer muss traumhaft sein. Um sechs nachmittags ging es per Bus zurück an die Uni.

Wir fuhren auf unseren Fahrrädern, die sich als unbezahlbar erweisen, nocheinmal in die Stadt, besorgten Bier (relativ teuer 0,70 CUC für eine kleine Büchse) und Havana Club (spottbillig 3 CUC für die große Flasche) da wir das Abendbrot ebenso verpasst hatten, wie auch Mittag und Frühstück und uns nur von zwei Snickers pro Person ernährten.

Inzwischen hat sich unsere Lebensmittelsituation von einem Tag auf den anderen schlagartig verbessert. Wir waren am Sonntag bei Jesús zum Essen eingeladen und er hatte als Willkommensgeschenk eine Torte für uns besorgt, die eine Nachbarin herstellt. Ein Traum von einer Torte. Weißer Eischnee bedeckt die Biskuitfüllung (ähnlich den Süßspeisen in der Türkei mit Zuckerwasser getränkt, aber herrlich) und die Verzierung aus blauem Zuckerguss. In Deutschland würde soetwas wahrscheinlich mit 6-8 Euro zu Buche schlagen, wenn nicht mehr. Hier kostet es 35 Pesos, also 1,50 Euro. Wie gesagt absolut paradox. Manches ist überhaupt nicht zu bekommen oder teuer und manches ist spottbillig (Für uns Europäer. Für einen Kubaner wieder im deutschen Vergleich: 110 Euro. Aber eben genau derselbe Preis, wie für eine Flasche Beck's. Was wertvoller ist entscheidet bitte jeder für sich. Für uns auf Kalorienentzug war es definitiv die Torte. Und vor allem die Geste: Jesus hat sie uns geschenkt. Ein Willkommensgeschenk im Wert von 110 Euro. Nur um die Relation mal zu verdeutlichen.)

So also ich komme jetzt langsam vom hundersten ins tausendste. Wir haben nichts mehr zu erzählen im Juli wenn ich so weitermache. Seid versichert, dass es uns gut geht und wir uns sauwohl fühlen. In aller Bescheidenheit, in Ermangelung jedes Luxuses aber auch mit der Konfrontation und dem Erreichen mehrere Arten von Luxus, die man in Deutschland überhaupt nicht kennt.
Seid gegrüßt,
Wir vermissen Euch

Dienstag, 10. März 2009

Es geht los

Rüd und Olli befinden sich mit einem vollgepackten Citroen C4 Picasso auf dem Weg nach Frankfurt. Unser Flug geht um 15.25 Uhr, falls das Kabinenpersonal der Condor nicht plötzlich streikt. Wir landen voraussichtlich 20.20 Uhr Ortszeit (Umrechnung siehe Uhr auf der linken Seite.)
Da wir sehr stark befürchten, dass es mit dem Internet in Kuba die einen oder anderen Probleme geben wird, können wir noch nicht genau sagen, wie oft wir den Blog aktualisieren können. Wir hoffen jedoch wöchentlich. Wenn es also etwas Neues gibt, erfahrt ihr es hier zuerst.
Wir werden euch alle sehr sehr vermissen und freuen uns auf das Wiedersehen fast genauso sehr wie auf Kuba selbst. Also bleibt sauber,

Olli und Rüd

Sonntag, 22. Februar 2009

Der Testlauf beginnt

Eins, zwei, drei, vier viele

Herzlichen Willkommen zum Start des Cubastardos-Blogs, der Travelblog von Olli und Rüd auf ihrer Reise durch den letzten Sozialismus der Welt. Wir werden auf dem Blog mehrmals wöchentlich Berichte, Bilder, Schweinereien und übersetzte kubanische Witze veröffentlichen - So zumindest die Theorie. Sollten uns die kubanischen Stromausfälle und das begrenzte Internet ein Strich durch die Rechnung machen, bitten wir das zu entschuldigen. Wir werden uns bemühen, euch up to date zu halten.

Wir werden am 11. März von Dresden über Frankfurt starten und laut Plan 20.20 Uhr in Holguin landen. Wir werden dort drei Monate studieren und uns danach eineinhalb Monate mit dem Rucksack durch Kuba schlagen. Anvisierte Rückkehr ist am 24. Juli - So der Plan. Doch wer Kuba kennt, weiß, dass Pläne im Land Fidels nicht viel wert sind...